Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Rücktrittsrechts des Verlegers
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Verwirkung des Rücktrittsrechts des Verlegers gemäß § 30 VerlG wegen Untätigkeit über mehrere Jahre.
Normenkette
VerlG § 30; BGB § 242
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 21 O 4653/00) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG München I v. 20.12.2000 – 21 O 4653/00 – abgeändert.
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 12.000 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 1.1.1991 zu bezahlen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten erster Instanz tragen
a) von den Gerichtskosten:
aa) der Kläger 83 %
bb) die Beklagte zu 1) 17 %
b) von den außergerichtlichen Kosten:
aa) des Klägers die Beklagte zu 1) 17 %
bb) der Beklagten zu 1) der Kläger 60 %
cc) der Beklagten zu 2) der Kläger 100 %;
i.Ü. tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Kosten des Berufungsverfahrens (in Richtung gegen die Beklagte zu 1) hat der Kläger zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Der Wert der Beschwer des Klägers und der Beklagten zu 1) übersteigt 60.000 DM jeweils nicht.
Tatbestand
Der Kläger schloss mit der Beklagten zu 1) am 20.5.1988 einen Verlagsvertrag, wonach sich die Beklagte verpflichtete, ein Werk mit dem vorläufigen Titel „Gespräche mit Anna Mahler” zu verfassen. Im Hinblick auf den Tod von Anna Mahler am 3.6.1988 wurde der Verlagsvertrag am 6.8.1988 modifiziert. Grundlage des Vertrages sollten nunmehr Gespräche mit Verwandten, Freunden und Bekannten der Verstorbenen sein. Das Manuskript sollte bis spätestens 31.12.1989 abgeliefert werden (V.1 des Vertrages). Vereinbarungsgemäß erhielt die Beklagte zu 1) im Laufe des Jahres 1989 einen Vorschuss auf das Honorar i.H.v. insgesamt 12.000 DM sowie Reisespesen i.H.v. 4.000 DM ausbezahlt (XI.7). Die Geltung des Rechts der Bundesrepublik Deutschland wurde vereinbart (XIII.5). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Verlagsvertrag (Anlage K 1) Bezug genommen.
Zur Durchführung der erforderlichen Recherchen reiste die Beklagte zu 1) 1988 zweimal nach London und im Jahre 1989 nach Los Angeles, wobei eine Kontaktaufnahme mit verschiedenen Ansprechpartnern jedoch nicht möglich war bzw. abgelehnt wurde. Im Jahre 1994 oder 1995 bat der Kläger die Beklagte zu 1), ihm die Tonbandmitschnitte der geführten Interviews zur Verfügung zu stellen, um sie auf ihre Verwertbarkeit zu überprüfen. Im Herbst 1995 leitete der Kläger die Tonbänder an die Beklagte zurück. Im Jahre 1997 reiste die Beklagte erneut nach Los Angeles.
Im November 1999 erhielt der Kläger Kenntnis von dem im Verlag der Beklagten zu 2) erschienenen Buch „Nachwelt” der Beklagten zu 1). In diesem Werk wird von der Erzählerin Margarete Doblinger eine USA-Reise geschildert mit dem Zweck, Gespräche mit Zeitzeugen und Weggefährten von Anna Mahler zu führen. Acht der seinerzeit geführten Gespräche werden in dem Buch wiedergegeben (s. die Aufstellung in der Klage, S. 7). Mit Schreiben vom 12.11.1999 wandte sich der Kläger deswegen an die Beklagte zu 1). Mit der Klage vom 13.3.2000 nahm er die Beklagte zu 1) auf Zahlung i.H.v. 16.000 DM und auf Feststellung der weitergehenden Schadensersatzpflicht (Klageanträge I.1 und I.2) sowie die Beklagte zu 2) auf Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht (Klageanträge II, III, V) in Anspruch mit der Begründung, die Beklagte zu 1) habe sich wegen Verletzung des Verlagsvertrages schadensersatzpflichtig gemacht. Die Beklagte zu 2) habe in Kenntnis des mit ihr bestehenden Verlagsvertrages mit der Beklagten zu 1) einen Vertrag abgeschlossen und sich damit wettbewerbswidrig verhalten. Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und u.a. vorgetragen, der Verlagsvertrag sei bereits 1992 einvernehmlich aufgehoben worden, da die zur Verfügung stehenden Materialien nicht ausgereicht hätten, den ins Auge gefassten Stoff zu realisieren. Bei dem Buch „Nachwelt” handele es sich um ein völlig anderes Werk als das nach dem Verlagsvertrag geschuldete Werk (Biographie).
Das LG hat die Klage mit Urteil vom 20.12.2000 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch auf Rückzahlung des Vorschusses gegenüber der Beklagten zu 1) bestehe nicht, da der Kläger weiterhin am Vertrag festhalte und somit die Voraussetzungen der Nummer V.1 des Verlagsvertrages nicht erfüllt seien. Ebenso begründe der behauptete Verstoß gegen das Konkurrenzverbot keinen Rückzahlungsanspruch. Auch unter dem Gesichtspunkt des Verzuges bestehe ein solcher Anspruch nicht. Unmöglichkeit sei nicht gegeben, weil das Buch „Nachwelt” nicht mit dem geschuldeten Werk übereinstimme. Deshalb bestehe auch kein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung. Folglich bestünden auch keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 2). Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 19.2.2001 setzte der Kläger der Beklagten zu 1) eine Frist für die Ablieferung des Manusk...