Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Unterbliebene Bestellung eines Verfahrenspflegers als schwerer Verfahrensfehler
Leitsatz (amtlich)
Ein schwerer Verfahrensfehler liegt vor, wenn für ein minderjähriges Kind kein Verfahrenspfleger bestellt wird und in der angefochtenen Entscheidung nicht begründet wird, weshalb von einer Bestellung abgesehen wurde.
Normenkette
FGG § 50
Verfahrensgang
AG Sangerhausen (Beschluss vom 30.04.2009; Aktenzeichen 2 F 25/09) |
Tenor
Auf die befristete Beschwerde der Kindesmutter und Beschwerdeführerin vom 13.5.2009 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Sangerhausen vom 30.4.2009 (Az.: 2 F 25/09) aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das AG - Familiengericht - Sangerhausen zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die verheirateten und voneinander getrennt lebenden Parteien sind die Eltern des minderjährigen Kindes L.D., geb. am 19.11.2005.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30.4.2009 hat das AG den Antrag der Kindesmutter vom 6.2.2009 auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für L. (die im Übrigen allenfalls in Abänderung des Beschlusses des AG vom 1.9.2008 im Verfahren zu Az. 2 F 96/08 gem. § 1696 BGB erfolgen könnte) zurückgewiesen.
Gegen den Beschluss vom 30.4.2009 wendet sich die Kindesmutter mit ihrer befristeten Beschwerde vom 13.5.2009, beim OLG eingegangen am selben Tag.
II. Das Rechtsmittel der Kindesmutter ist als befristete Beschwerde nach §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621e Abs. 1, Abs. 3, 517, 520 Abs. 1, 2 und 3 S. 1 ZPO zulässig.
Die befristete Beschwerde ist auch begründet und führt wegen eines Verfahrensmangels zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das AG. Das Verfahren des AG leidet nämlich an einem schwerwiegenden Fehler, denn es hat entgegen § 50 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FGG dem betroffenen minderjährigen Kind keinen Pfleger für das Verfahren bestellt und entgegen § 50 Abs. 2 S. 2 FGG in der angefochtenen Entscheidung nicht begründet, warum es von der Verfahrenspflegerbestellung abgesehen hat.
In Verfahren, die die Person eines minderjährigen Kindes betreffen, ist dem Kind ein Verfahrenspfleger zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist, wobei dieses Erfordernis in der Regel besteht, wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht (§ 50 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FGG). Es genügt, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die Möglichkeit besteht, dass die Kindesinteressen den Interessen der Eltern nachgeordnet und damit nicht mehr sachgerecht verfolgt werden (OLG Hamm FamRZ 1999, 41 f.; Engelhardt in: Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 50 Rz. 25). Dies ist hier der Fall. Nach dem Vorbringen der Kindesmutter will nämlich das betroffene Kind nach Umgangskontakten mit ihr mit allen Mitteln (Weinen, Schreien, körperliche Gegenwehr) die Trennung von ihr verhindern, während L. im umgekehrten Fall, in dem sie das Kind beim Kindesvater abhole, glücklich und zufrieden sei. Die Bindung des Jungen zum Kindesvater sei eher oberflächlicher Natur; er spiele und beschenke ihn, um seine Zuneigung zu erhalten oder zu vergrößern, gehe aber im Übrigen seinen eigenen Interessen nach. Dem Kindesvater gehe es nicht um seinen Sohn, sondern es komme ihm darauf an, die Kindesmutter zu demütigen und zu verletzen. Dem gegenüber diskreditiert die Kindesmutter den Kindesvater nach seinem Vorbringen. So habe sie ihn beim Polizeirevier in S. wegen Kindesmisshandlung angezeigt, wobei dieses Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei. Nach den Feststellungen des beteiligten Jugendamts im Bericht vom 16.3.2009 haben sich die Kindeseltern bei Begegnungen im Rahmen von Übergaben des Kindes gestritten und damit ihre elterliche Schutzwirkung ggü. dem Kind in Frage gestellt.
Dem betroffenen Kind war bei dieser Sachlage ein Verfahrenspfleger zu bestellen. Dies ist aber unterblieben. Das AG hätte daher - was es ebenfalls unterlassen hat - gem. § 50 Abs. 2 S. 2 FGG in der angefochtenen Entscheidung vom 30.4.2009 begründen müssen, warum es bei dem offenkundig gegebenen Interessenkonflikt von der Bestellung eines Verfahrenspflegers abgesehen hat, was einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt (vgl. zum Ganzen BayObLG, Beschl. v. 10.9.2002 - Az. 1Z BR. 1 111/02 - zitiert nach "juris"; OLG Saarbrücken JAmt 2003, 41 f.; OLGReport Saarbrücken 2000, 166 f.). Dies lässt es sachgerecht erscheinen, das Verfahren zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG zurückzuverweisen (Bumiller/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 8. Aufl., § 25 Rz. 8 m.w.N.).
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §§ 131 Abs. 3 KostO, 13a Abs. 1 FGG.
Die Entscheid...