Leitsatz (amtlich)
Ablehnungsverfahren
1. Eine Zuständigkeit des Vergabesenats eines OLG für Entscheidungen über eine in Betracht kommende Besorgnis der Befangenheit von Mitgliedern der Vergabekammer in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ist - außerhalb eines Beschwerdeverfahrens - nicht begründet.
2. Für die Ablehnung von Mitgliedern der Vergabekammer sind die Vorschriften des einschlägigen Verwaltungsverfahrensgesetzes unmittelbar anwendbar.
3. Eine Verpflichtung zur Vorlage der Sache an den BGH nach § 124 Abs. 2 GWB besteht nur in einem Hauptverfahren. Das Ablehnungsverfahren, Mitglieder der Vergabekammer betreffend, stellt kein Hauptverfahren i.S. dieser Vorschrift dar.
Verfahrensgang
Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt LSA (Aktenzeichen 2 VK LVwA 30/10, 2 VK LVwA 31/10) |
Tenor
Die Vorlage der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 18.1.2011 wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen der Beteiligten findet nicht statt.
Gründe
A. Die Antragsgegnerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, schrieb im Jahre 2010 den oben genannten Dienstleistungsauftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) - Ausgabe 2006 - zur Vergabe aus (Tag der Absendung der Bekanntmachung: 28.5.2010). Der Auftrag ist in zwei Gebietslose unterteilt. Die ursprünglich beabsichtigte Vertragslaufzeit umfasste den Zeitraum vom 1.11.2010 bis zum 31.10.2013, d.h. drei Jahre. Der Vertragsentwurf enthielt zwei Verlängerungsoptionen der Antragsgegnerin um je ein weiteres Jahr. Der Netto-Auftragswert liegt erheblich über 193.000 EUR.
Am Vergabeverfahren beteiligten sich insgesamt 16 Unternehmen, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene. Die Antragsgegnerin beabsichtigt ausweislich ihres Vergabevermerkes vom 16.9.2010, den Zuschlag für beide Lose auf das jeweilige Hauptangebot der Beigeladenen zu erteilen.
Mit Schriftsatz vom 27.9.2010 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet werden möge, die Angebotswertung sowohl für das Los 1 als auch für das Los 2 zu wiederholen.
Die Vergabekammer hat die Nachprüfungsverfahren bezüglich Los 1 (2 VK 30/10) und bezüglich Los 2 (2 VK 31/10) mit Beschluss vom 13.10.2010 unter Führung des zuerst genannten Verfahrens verbunden. Sie hat nach anfänglicher Absicht, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, auf die Einwendungen insbesondere der Antragstellerin die Zuschlagsaspirantin für beide Lose beigeladen und einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. In diesem Termin am 21.12.2010 hat der Vorsitzende der 2. Vergabekammer den Verfahrensbeteiligten gegenüber angezeigt, dass einer der Geschäftsführer der Antragstellerin, G. H., seit September 2009 als ehrenamtlicher Beisitzer der 2. Vergabekammer tätig sei und dass der Baudirektor der Antragsgegnerin H.-D. F., der maßgeblich auch an den Entscheidungen der Antragsgegnerin im vorliegenden Vergabeverfahren mitgewirkt habe, bereits seit 1999 in ununterbrochener Folge als ehrenamtlicher Beisitzer der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt tätig sei. Daraufhin hat die Antragsgegnerin einen Befangenheitsantrag gegen alle drei Mitglieder der erkennenden Vergabekammer gestellt. Mit Schriftsatz vom 21.12.2010 hat sie die Abgabe des Nachprüfungsverfahrens an die 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt wegen der festgestellten Besorgnis der Befangenheit beantragt.
Inzwischen haben der Vorsitzende der 2. Vergabekammer, dessen Stellvertreter sowie die beiden weiteren berufenen hauptamtlichen Beisitzer der 2. Vergabekammer eine Selbstanzeige vorgenommen, wonach jeweils wegen ihres besonderen Näheverhältnisses zu einem der beiden Geschäftsführer der Antragstellerin die Besorgnis der Befangenheit bestehen könne. Zudem haben auch der Vorsitzende der 1. Vergabekammer, dessen Stellvertreter und die beiden weiteren berufenen hauptamtlichen Beisitzerinnen eine Selbstanzeige verfasst und jeweils auf ihr besonderes Näheverhältnis zum Baudirektor der Antragsgegnerin gestützt. Der Vorsitzende der erkennenden Vergabekammer hat - in Anlehnung an § 20 Abs. 3 VwVfG (Bund) bzw. an § 47 Abs. 1 ZPO - die Entscheidungsfrist des § 113 Abs. 1 S. 2 GWB bis zum 31.3.2011 verlängert.
Mit Schreiben vom 18.1.2011 haben der stellvertretende Vorsitzende der 1. Vergabekammer und eine hauptamtliche Beisitzerin dieser Vergabekammer das Nachprüfungsverfahren dem OLG Naumburg zur Entscheidung über die Selbstanzeigen in Bezug auf ihre Person vorgelegt.
Der Senat hat alle Verfahrensbeteiligten zur Frage der Zuständigkeit für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch und die Selbstanzeigen angehört.
B. Die Vorlage der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt an den Vergabesenat des OLG ist unzulässig. Der Senat ist nicht berufen, eine Entschei...