Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Klageänderung im Berufungsrechtszug sachdienlich, können die sie betreffenden Tatsachen nicht wegen Nachlässigkeit präkludiert sein.
2. Die Beitragspflicht zu einem umlagefinanzierten, solidarischen Selbstversicherungssystem für Haftpflichtschäden kann auch nach seinem Ausscheiden für das einzelne Mitglied fortbestehen. Die Fälligkeit des jährlich erhobenen Beitrages setzt eine zumindest im Ansatz nachprüfbare und der Satzung bzw. den darunter angesiedelten Verrechnungsgrundsätzen entsprechende Umlageberechnung voraus.
3. Eine Änderung der Abrechnungsgrundsätze ist den nach der Satzung zuständigen Organen des Vereins vorbehalten. Für eine ergänzende Auslegung ist kein Raum, wenn es verschiedene taugliche Abrechnungsalternativen gibt, für die sich der Verein entscheiden könnte.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 23.11.2016; Aktenzeichen 5 O 24/15) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 23. November 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Halle wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Nebenintervention.
Dieses wie auch das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des nach den Urteilen vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder der Streithelfer vor ihrer Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
und beschlossen:
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 1.973.343,56 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die jährliche Umlage von Schadensbeträgen, Verwaltungskosten und sonstigen Aufwendungen der Verrechnungsstelle Heilwesen auf (ausgeschiedene) Vereinsmitglieder.
Zum Umlageverfahren heißt es in § 9 I der Satzung des Klägers:
"Die Schadenbeträge, die Verwaltungskosten und die sonstigen Aufwendungen des KSA werden nach Abschluss des Geschäftsjahres auf die Mitglieder nach den für die Verrechnungsstellen geltenden Schlüsseln umgelegt. Für die Verrechnungsstellen wird getrennt Rechnung gelegt...".
Gemäß § 9 V S. 1 der Satzung ist die Umlage innerhalb eines Monats nach Anforderung zu zahlen.
Die jährliche Umlage, welche auch die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin bis zum Ausscheiden am 30.06.2009 unter den Mitgliedsnummern ... 6 und ... 5 zahlten, wurde auf der Grundlage der vereinsinternen Allgemeinen Verrechnungsgrundsätze für Haftpflichtschäden zumindest einschließlich des Jahres 2007 wie folgt berechnet:
Für das abgeschlossene Geschäftsjahr bildete der Kläger eine Umlagequote. Diese setzte sich aus dem Jahresgesamtaufwand des KSA im Umlagejahr zusammen, der durch die Gesamtzahl der Jahresrisikopunkte aller der Verrechnungsstelle zugehörigen Vereinsmitglieder dividiert wurde. Die Risikopunkte wurden nach Auskunft des einzelnen Mitgliedes (Vgl. zur Pflicht der Mitglieder, die für die Berechnung der Umlagen erforderlichen Angaben vollständig und richtig zumachen, § 9 IV der Satzung.) vorab auf der Grundlage der Verrechnungsgrundsätze mitgliedsbezogen ermittelt und zur Bildung der Umlagequote addiert. Ergebnis war ein bestimmter Geldbetrag pro Risikopunkt, den der Verwaltungsrat des Klägers anschließend billigte. Für das Jahr 2012 errechnete sich beispielsweise eine Umlagequote von 8,73 EUR, die der Verwaltungsrat auf 7,00 EUR herab- bzw. festsetzte. Abschließend wurde die Risikoquote mit den individuellen Risikopunkten multipliziert.
Für ausgeschiedene Mitglieder, wie die Beklagte, hält die Satzung in § 9 II folgende Regelung bereit:
"Scheidet ein Mitglied aus dem Deckungsschutz einer Verrechnungsstelle ganz oder teilweise aus bzw. reduzieren sich seine Wagnisse, wird es weiterhin für die Schadensfälle zur Umlage herangezogen, die in der Verrechnungsstelle während der Zeit seiner Zugehörigkeit eingetreten sind".
Absatz 3 lässt unter Umständen für ausgeschiedene Mitglieder eine Einmalzahlung zu.
Auf der Grundlage von Absatz 2 hat der Kläger die Umlageverbindlichkeiten der Beklagten des Geschäftsjahres 2012 zu den beiden Mitgliedsnummern mit 373.734,01 EUR und 243.736,81 EUR ermittelt. Hierbei ging er, ohne dass dem eine Änderung der Satzung oder der Verrechnungsgrundsätze voraus ging, entsprechend der von ihm erstellten Anlage "Ermittlung der anteiligen Umlage für das Jahr 2012 nach Schadenabschnitten im Bereich Heilwesen" wie folgt vor:
Zunächst wurde der Gesamtbetrag der Schadensersatzzahlungen auf die Jahre des zugrunde liegenden Schadensereignisses (= Versicherungsfalls) verteilt. Danach errechnete der Kläger den prozentualen Anteil des jeweiligen Ereignisjahres an dem Gesamtbetrag. Um nun aus der Umlagequote 2012 i.H.v. 7,00 EUR eine solche des jeweiligen Ereignisjahres zu machen, verteilte der Kläger den Betrag von 7,00 EUR entsprechend dem zuvor berechneten Prozentsatz auf die jeweiligen Schadensereignisjahre. Abschließend wurde dann die jeweilige Jahresquote mit den Risikopunkten der Beklagten lt. Umlageschlüssel des betroffenen Jahres multipliziert. Für die Ja...