Leitsatz (amtlich)
1. Im Jahre 1995 war für eine totale Entfernung des Schilddrüsengewebes bei benignen Struma die Zweizeitigkeit der Operation noch nicht fachchirurgischer Standard.
2. Demgemäß bestand damals auch keine Pflicht zur Aufklärung über diese Behandlungsmethode.
3. Im Jahre 1995 war die Strumaresektion ohne Nervdarstellung chirurgischer Standard.
Verfahrensgang
BGH (Beschluss vom 10.02.2004; Aktenzeichen VI ZR 254/03) |
LG Dessau (Urteil vom 20.12.2002; Aktenzeichen 8 O 938/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.12.2002 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Dessau wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000 Euro.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung wegen einer Schilddrüsenerkrankung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.
Bereits im Jahre 1981 musste sich die Klägerin einer beidseitigen Schilddrüsenoperation unterziehen. 1995 wurden neue Knoten als Folgen einer beidseitigen Rezidivstruma diagnostiziert. Am 25.10.1995 führte der Beklagte zu 2) deshalb im Städtischen Klinikum D. eine zweite Schilddrüsenoperation durch, in deren Folge es bei der Klägerin zu einer doppelseitigen Stimmbandlähmung kam.
Ein von der Schlichtungsstelle der Norddeutschen Ärztekammern beauftragter Gutachter kam am 4.1.1999 zu dem Ergebnis, dass die Operation des linken Schilddrüsenlappens fehlerhaft gewesen sei. Der Versicherer hat über die gesundheitlichen Folgen der Operation ein weiteres Gutachten vom 11.3.2001 eingeholt und 40.000 DM an die Klägerin gezahlt.
Die Klägerin erhob jedoch wesentlich höhere Forderungen. Sie hat die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von weiteren 30.000 DM und Erstattung eines Verdienstausfalls nebst Haushaltsführungsschaden i.H.v. 93.683,15 DM verlangt. Außerdem hat sie eine unbefristete monatliche Rente i.H.v. 1.357,98 DM seit dem 1.7.2001 geltend gemacht und darüber hinaus die Feststellung begehrt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin jeden zukünftig eintretenden Schaden zu ersetzen.
Ihre Forderungen hat die Klägerin nicht nur auf das Schlichtungsgutachten gestützt, sondern auch auf die Behauptung, sie sei über das Risiko einer beidseitigen Stimmbandlähmung nicht ausreichend aufgeklärt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Nach Vernehmung des Zeugen G., Anhörung der Klägerin sowie des Beklagten zu 2) und Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens hat das LG die Klage abgewiesen. Einen Behandlungsfehler hat die Kammer auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens verneint. Es habe eine medizinische Indikation zur beidseitigen Operation bestanden, und die Durchführung des Eingriffs sei nicht zu beanstanden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe außerdem fest, dass die Klägerin durch den Zeugen G. ausreichend über die Risiken einer Rezidivstrumektomie aufgeklärt worden sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihre Ansprüche in vollem Umfang weiterverfolgt. Sie ist der Ansicht, die Kammer habe den geltend gemachten Behandlungsfehler auf Grund einer falschen Beweiswürdigung verneint. Insbesondere habe sich das LG nicht mit dem Schlichtungsgutachten vom 4.1.1999 und den Ergänzungen der Schlichtungsstelle vom 8.3.1999 auseinandergesetzt. Schon auf Grund dieses Gutachtens hätte - so meint die Klägerin - ein grober Behandlungsfehler bejaht werden müssen, so dass es im Rechtsstreit den Beklagten oblegen habe, den Entlastungsbeweis zu führen. Dass die Kammer dennoch die Klägerin als beweisbelastet angesehen habe, sei unverständlich.
Die Klägerin bleibt bei ihrer Behauptung, die Entfernung des linken Schilddrüsenlappens sei kontraindiziert gewesen und die radikale Vorgehensweise habe auch nicht dem medizinischen Standard entsprochen. Auch hierauf sei das LG nicht sachgerecht eingegangen, sondern habe lediglich die Ausführungen des Sachverständigen wiederholt, ohne die Darlegungen der Schlichtungsstelle zu würdigen. Hätte der Beklagte zu 2) die Operation der linken Seite zurückgestellt oder abgebrochen, als der Nervus recurrens nicht habe dargestellt werden können, wie es nach ihrer Ansicht erforderlich gewesen wäre, so wäre es nicht zu einer doppelseitigen Stimmbandlähmung gekommen.
Auch im Hinblick auf die Risikoaufklärung greift die Klägerin die Beweiswürdigung der Kammer an. Sie habe verkannt, dass der Zeuge G. sich an die konkrete Aufklärungssituation nicht mehr habe erinnern können. Außerdem habe die Kammer nicht berücksichtigt, dass nach der Darstellung des Zeugen G. das entsprechende Kreuz auf dem Merkblatt üblicherweise ge...