Verfahrensgang
LG Oldenburg (Aktenzeichen 1 O 647/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 3. November 2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Das Urteil ist wie auch das angefochtene Urteil vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) wird gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB.
Gemäß § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Beklagten liegt nicht vor. Im Hinblick auf die einzelnen von dem Kläger zuletzt behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen gilt Folgendes:
a) Thermofenster
Soweit der Kläger vorträgt, in seinem Fahrzeug sei eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines sogenannten Thermofensters verbaut, hat er die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht dargelegt. Zudem fehlt es jedenfalls an der für einen Anspruch nach § 826 BGB erforderlichen Sittenwidrigkeit.
aa) Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, Rn. 19) hat Umstände, aus denen sich das Verhalten der Beklagten in Bezug auf die Verwendung eines Thermofensters als objektiv sittenwidrig qualifizieren ließe, nicht hinreichend vorgetragen.
Dabei kann dahinstehen, ob die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems bei Außentemperaturen außerhalb von +20° C bis +30°C sinkt und sich dies als eine unzulässige Abschalteinrichtung qualifizieren ließe. Denn selbst wenn man diesen Vortrag des Klägers als richtig unterstellt, reicht dies für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben.
(1) Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung sind nämlich nicht bereits deshalb gegeben, weil die Beklagte den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht hat. Dieses Verhalten ist für sich genommen nicht als sittenwidrig zu qualifizieren. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 13). Denn der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen, die dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19) zugrunde lag. Die in jener Entscheidung zu beurteilende Software war (von der BB AG in Motoren der Baureihe EA 189) bewusst und gewollt so programmiert worden, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden (Umschaltlogik); sie zielte damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde ab (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 16). Dagegen fehlt es bei dem Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems, die nicht danach unterscheidet, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im realen Fahrbetrieb befindet, an einem derartigen arglistigen Vorgehen des Herstellers. Das Thermofenster weist damit jedenfalls - auch nach dem Vortrag des Klägers - keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern es arbeitet in beiden Fahrsituationen grundsätzlich in gleicher Weise (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO, Rn. 18).
(2) Deshalb ist bei der Verwendung einer entsprechend temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber dem Hersteller nur gerechtfertigt, wenn zu einem etwaigen Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt zumindest voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Dabei trägt die Darlegungs- und Bewe...