Leitsatz (amtlich)
Kann der Bestandsschutz eines Gebäudes durch Abbrucharbeiten gefährdet werden, dann treffen den mit der Objektüberwachung beauftragten Architekten besondere Sorgfaltspflichten.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von dem beklagten Architekten Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung eines zwischen den Parteien geschlossenen Architektenvertrages. Im Jahre 1986 erwarb der Kläger im Wege der Zwangsversteigerung ein mit einem älteren Wohn- und Wirtschaftsgebäude bebautes Grundstück in der Gemarkung H. für ein Bargebot von 144 000,– DM. Er wollte dieses Gebäude zu seinem Alterswohnsitz um- bzw. ausbauen. Er beauftragte den Beklagten mit der Erstellung der Bauvorlagen, der Einreichung des Bauantrages sowie der Betreuung und Abwicklung des Projekts. Der Beklagte reichte im September 1986 einen Bauantrag betreffend den „Umbau eines Wohnhauses und Nutzungsänderung” bei der Bauaufsichtsbehörde des Landkreises L. ein. Danach sollte das Außenmauerwerk des vorhandenen Gebäudes im wesentlichen erhalten bleiben, ebenso der Dachstuhl über dem Wohnbereich. Teile der Außenmauer des vormaligen Wirtschaftsbereichs, einige Innenmauern in beiden Gebäudeteilen, die Decke über dem Erdgeschoß sowie einige Pfosten und Sparren im Wirtschaftsbereich sollten hingegen erneuert werden. Der Kläger erhielt unter dem 5.2.1987 eine Baugenehmigung des Landkreises L. In dem Genehmigungsbescheid heißt es unter Hinweis 1: „Die Errichtung eines Ersatzgebäudes kann nicht zugelassen werden.” Nach einem Vermerk vom 30.10.1986 in den Bauakten hatte ein Mitarbeiter der Baubehörde den Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Umbaumaßnahme in der beantragten Form durchgeführt werden müsse, da die Voraussetzungen für die Errichtung eines Ersatzbaus nicht vorlägen. Der Beklagte vergab die für die Durchführung der Bauarbeiten notwendigen Arbeiten im Auftrag des Klägers an eine Firma F. Eine Firma W. wurde mit Arbeiten an der Zufahrtstraße und Aufräumarbeiten an der Baustelle beauftragt. Bei einer Besichtigung durch den Landkreis L. am 19. 3.1987 wurde festgestellt, daß das Gebäude zu einem großen Teil über die Baugenehmigung hinaus abgebrochen war; insbesondere war der Dachstuhl entfernt. Im Wirtschaftsteil waren sämtliche Mauern beseitigt. Es standen lediglich noch Teile des ehemaligen Wohnbereichs. Mit Bescheid vom 30. 3.1987 ordnete das Bauordnungsamt die sofortige Einstellung der Bauarbeiten an. Zuvor hatte der Beklagte mit Schreiben vom 26.3.1987 der Bauordnungsbehörde mitgeteilt, daß die Gründung des rückwärtigen Gebäudeteils nicht den notwendigen Erfordernissen entspreche und die Restteile des Außenmauerwerks im hinteren Gebäudeteil nicht erhalten bleiben könnten. In der Folgezeit versuchte der Kläger mit Hilfe des Beklagten eine Baugenehmigung für einen landwirtschaftlichen Betrieb i. S. von § 35 (1) BauGB zu erreichen. Die Baubehörde lehnte mit Bescheid vom 28.10.1987, der letztlich rechtskräftig wurde, die Erteilung einer Baugenehmigung ab, weil ein Privilegierungstatbestand nicht vorliege. Am 23.3.1989 veräußerte der Kläger das Grundstück an den Landwirt M. zu einem Kaufpreis von 48 000,– DM. Der Kläger hat geltend gemacht: Der Beklagte sei für die umfangreichen Abrißarbeiten und damit für den Verlust des Bestandsschutzes des Gebäudes verantwortlich. Er habe den Bau nicht ordnungsgemäß überwacht und den Unternehmer F. nicht ausdrücklich über die Bedeutung des Bestandsschutzes informiert. Dadurch sei es unmöglich geworden, das Grundstück entsprechend der ursprünglichen Planung zu bebauen. Der Schaden betrage insgesamt 203 904,92 DM, von denen 48 000,– DM in Abzug gebracht werden müßten. Der Beklagte hat vorgetragen: Der Abriß des gesamten Dachstuhls sei ohne sein Zutun und auf Anweisung des Bauunternehmers F. mit Erlaubnis des Klägers erfolgt. Daß die Bauarbeiter in Abstimmung mit F. sowohl das Wirtschaftsgebäude als auch das Vorderhaus abbrechen würden, sei für ihn völlig unerwartet gekommen. Er habe F. vor Umbaubeginn genau über die einzuhaltene Arbeitsabfolge zur Erhaltung des Bestandsschutzes unterrichtet, sei aber von diesem absprachewidrig nicht vom Beginn der kritischen Abrißphase unterrichtet worden. Er habe auch nicht täglich auf der Baustelle sein müssen.
Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 155 904,92 DM nebst Zinsen zu zahlen. Das Landgericht hat es als erwiesen angesehen, daß der Beklagte den Bauunternehmer F. nicht hinreichend informiert habe und im übrigen auch seiner Pflicht zur Objektüberwachung nicht nachgekommen sei. Die Berufung des Beklagten war erfolglos.
Entscheidungsgründe
Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 155904,92 DM und den aus der Urteilsformel ersichtlichen Zinsen verurteilt; denn der Beklagte hat für den dem Kläger zugefügten Schaden nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung einzustehen.Durch das Verhalten des Beklagten ist, unabhängig davon, ob der Kläger auch die Fa. F. in Anspruch nehmen kann, dem Kläg...