Leitsatz (amtlich)
1. Maßnahmen sind nur dann in den Krankenunterlagen zu dokumentieren, wenn dies erforderlich ist, um Ärzte und Pflegepersonal über den Verlauf der Krankheit und die bisherige Behandlung im Hinblick auf künftige medizinische Entscheidungen ausreichend zu informieren.
2. Ein Operationsbericht muss eine stichwortartige Beschreibung der jeweiligen Eingriffe und Angaben über die hierbei angewandte Technik enthalten. Nicht erforderlich ist hingegen die Wiedergabe von medizinischen Selbstverständlichkeiten wie z.B. einer spannungsfreien Verknotung der Anastomosennähte bei einer Prostatektomie.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Urteil vom 13.09.2006; Aktenzeichen 2 O 3590/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 13.9.2006 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bliebt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
A. Nachdem bei dem Kläger ein Prostatakarzinom diagnostiziert worden war, unterzog er sich im K. O., dessen Träger die Beklagte zu 1.) ist, einer radikalen Prostatektomie sowie einer pelvinen Lymphadenektomie beidseitig. Der Beklagte zu 2.) nahm den Eingriff am 15.12.1998 vor. Postoperativ zeigte sich im Cystogramm ein Extravasat im Anastomosenbereich, so dass der Dauerkatheter zunächst nicht entfernt wurde. Am 15.1.1999 wurde der Kläger aus dem Krankenhaus entlassen. Anschließend fand eine Heilbehandlung in der Klinik W., B., statt. Auch nach deren Abschluss lag bei dem Kläger eine Harninkontinenz vor.
Mit der Klage hat der Kläger begehrt, festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden aus der Operation vom 15.12.1998 zu ersetzen, materielle Ersatzansprüche nur, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind bzw. übergehen werden. Der Kläger hat den Beklagten vorgeworfen, der Beklagte zu 2.) habe über wenig Erfahrung mit Prostatektomien verfügt. Die von ihm iatrogen verursachte Sphinkterdehiszenz sei bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt vermeidbar gewesen. Gleiches gelte für Undichtigkeiten, wodurch Urin in den Bauchraum gelangt sei und brennende Schmerzen im Bauchraum verursacht habe. Zudem habe der Beklagte zu 2.) den Penis von innen zu kurz angenäht, so dass ihm Geschlechtsverkehr nicht mehr möglich sei. Schließlich habe der Beklagte zu 2.) bei dem Eingriff die den Schließmuskel am After versorgenden Nerven geschädigt, so dass er unter partieller Stuhlinkontinenz leide. Die Beklagten haben behauptet, bei dem Beklagten zu 2.) habe es sich um einen erfahrenen Oberarzt gehandelt, der bei dem Eingriff die erforderliche medizinische Sorgfalt habe walten lassen. Insbesondere habe dieser die Anastomosedichtigkeit hinreichend überprüft, was er in dem Operationsbericht mit der Formulierung "End-zu-End Anastomose" zum Ausdruck gebracht habe. Soweit Gesundheitsbeeinträchtigungen beim Kläger aufgetreten seien, sei dies schicksalhaft bedingt: Inkontinenz und Impotenz stellten typische Risiken des streitgegenständlichen Eingriffs dar. Die Beklagten haben überdies die vom Kläger dargelegten Gesundheitsbeeinträchtigungen mit Nichtwissen bestritten und die Ursächlichkeit zwischen den angeblichen Behandlungsfehlern und den Gesundheitsschäden des Klägers in Abrede genommen.
Die 2. Zivilkammer des LG Osnabrück hat nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. A., D., der Feststellungsklage mit Urteil vom 13.9.2006 insoweit stattgegeben, als es die Schäden des Klägers wegen der verbliebenen Harninkontinenz betrifft. Im Übrigen hat das Gericht die Klage abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf das angefochtene Urteil (Bd. I, Bl. 131 ff. d.A.) Bezug genommen.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Diese meinen, das LG habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die ärztliche Dokumentation nicht Beweiszwecke erfüllen soll. Vielmehr sei maßgeblich, was speziell aus ärztlicher Sicht erforderlich erscheine, also der Diagnose und der Therapie in künftiger Hinsicht diene. Zudem reiche eine schlagwortartige Beschreibung aus. Danach sei es entgegen den Ausführungen des Sachverständigen nicht geboten gewesen, zusätzliche Details in den Operationsbericht aufzunehmen, etwa was die Knotung und die Dichtigkeitsprüfung bei der Verbindung von Harnröhrenstumpf und Blase betreffe. Sei nämlich die Verletzung des Schließmuskels erst einmal herbeigeführt, sei für die weitere Therapie letztlich ohne Belang, ob die vom Sachverständigen vermissten Angaben im Operationsbericht niedergelegt seien oder nicht. Überdies deuteten die Erläuterungen des Sachverständigen Prof. A. darauf hin, dass dieser seine speziellen Anf...