Leitsatz (amtlich)
Zum Unlauterkeitstatbestand des § 4 Nr. 4 UWG (Mitbewerberbehinderung/Vertragsbruchverleitung) im Rahmen des so genannten Lebensversicherungszweitmarktes (hier bejaht für ein Schreiben des Lebensversicherers an seinen Versicherungsnehmer, nachdem Letzterer seine Rechte aus der Police an einen gewerblichen Aufkäufer "abgetreten" hat) sowie zur Rechtsnatur eines "Kauf- und Abtretungsvertrages" (Abgrenzung zum Inkasso).
Normenkette
UWG § 4 Nr. 4
Verfahrensgang
LG Rostock (Urteil vom 22.09.2020; Aktenzeichen 6 HK O 72/19) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 22.09.2020 (Az.: 6 HK O 72/19) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Das unter Ziffer 1 genannte Urteil ist, ebenso wie der vorliegende Beschluss, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, die in Bezug auf den Tenor zu 1) des unter Ziffer 1 genannten Urteils 30.000,00 EUR und im Übrigen 110 % des für die Klägerin insgesamt vollstreckbaren Betrages beträgt, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Bezug auf den Tenor zu 1) des unter Ziffer 1 genannten Urteils Sicherheit in Höhe von 30.000,00 EUR und im Übrigen in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert wird auch für den Berufungsrechtszug auf 65.001,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten wechselseitig mit Klage und Widerklage um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit eines Schreibens einerseits, das die Beklagte - ein bekannter Lebensversicherer - an eine vormalige Versicherungsnehmerin gerichtet hat, nachdem diese ihre Ansprüche aus der Police bei der Beklagten an die Klägerin - die gewerblich Lebensversicherungen "aufkauft" (die Rechtsnatur der Verträge ist streitig) und liquidiert - abgetreten hatte, und andererseits um eine von der Beklagten reklamierte Vertragsstrafe sowie Unterlassungspflichten der Klägerin gegenüber der Beklagten im Hinblick auf Äußerungen gegenüber Versicherungsnehmern.
Zwischen den Parteien wurden und werden diverse rechtliche Auseinandersetzungen geführt. Im Rahmen einer solchen Auseinandersetzung gab die Klägerin gegenüber der Beklagten am 30.01.2017 die folgende Unterlassungserklärung ab:
"Die ... [Klägerin] verpflichtet sich hiermit unter Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung gegenüber der ... [Beklagten],
1. es sofort zu unterlassen, selbst oder durch Dritte im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit (Lebens-) Versicherungsprodukten der ... [Beklagten] zu behaupten:
a) Die ... [Klägerin] erzielt einen höheren Rückkaufswert, als wenn man diesen direkt bei der ... [Beklagten] anfordert.
b) Es sei die Unterzeichnung einer Anwaltsvollmacht notwendig, da die ... [Beklagte] nur auf Druck eines Anwaltes den Vertrag beende und ansonsten die Auszahlung des Rückkaufswertes verweigere.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorbezeichnete Unterlassungsverpflichtung ist eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.001,00 EUR an die ... [Beklagte] zu zahlen."
Die Klägerin schloss, soweit hier von Belang, mit einer Versicherungsnehmerin der Beklagten aus D. bei S. einen wörtlich so bezeichneten "Kauf- und Abtretungsvertrag", bezogen auf eine Lebensversicherung mit der Nummer ..., für dessen näheren Inhalt auf die Vertragsurkunde vom 20.11.2018 einschließlich der ihr beigefügten "Bedingungen für den Abschluss eines Kauf- und Abtretungsvertrags über einen Lebensversicherungs- oder Bausparvertrag" Bezug genommen wird (Bd. V Blatt 161 f. d.A. bzw. Anlage K 2 des dem vorliegenden Hauptsacherechtsstreit vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht Rostock zu dem Aktenzeichen 6 HK O 15/19).
Inhalt dieses Vertrages war unter anderem die Abtretung sämtlicher "abtretbaren Rechte und Ansprüche aus dem verkauften Versicherungsvertrag", namentlich "die Ansprüche auf Auszahlung der Versicherungssumme einschließlich Gewinnbeteiligung, dynamische Zuwächse und Bonuszahlungen und etwaige Anpassungs- und Zusatzversicherungen, soweit sie abtretbar sind, sowie alle Vertragsrechte, insbesondere Rechte auf Kündigung und Beitragsfreistellung (...)".
Zum "Kaufpreis" sowie zu dessen "Ermittlung" und "Fälligkeit" beinhaltet der Vertrag unter anderem die folgenden Regelungen:
"§ 3 Ermittlung des Kaufpreises
1) Grundlage der Kaufpreisermittlung ist bei Versicherungsverträgen der Rückkaufswert (...), jeweils zu dem der Absendung des Vertragsangebots durch den Verkäufer vorhergehenden Monatsersten (Stichtag). Der Rückkaufswert bzw. das aktuelle Guthaben sind vom Verkäufer durch geeignete aktuelle Unterlagen (...) nachzuweisen.
2) Bei fondsgebundenen Versicherungen kann die ... [Klägerin] abweichend von § 3 (1) den Rückkaufswert zum Kündigungsdatum zugrunde legen.
3) Von dem nach § 3 (1) ermittelten aktuellen Wert des Vertrages werden folgende Beträge zur Ermittlung des Kaufpreises abgezogen:
a. Bei allen Verträgen die zum Bewertungsstichtag ...