Leitsatz (amtlich)
1. Der Umfang des von der Strafvollstreckungskammer geforderten Prüfungs- und Abwägungsprozesses und die diesbezüglichen Darstellungserfordernisse für erstinstanzliche Entscheidungen der Zustimmung zu einer Zwangsbehandlung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1b, Satz 2, Abs. 5 UBG von im Maßregelvollzug untergebrachten Personen stellen sich nicht schematisch für alle Fälle gleich dar, sie sind vielmehr einzelfallbezogen und entscheidend auch von Dauer, Wirksamkeit und Erfolg bisheriger Behandlungsansätze mit Medikamenten und dem Unterbringungs- und Behandlungsverlauf abhängig.
2. Zumindest in Fällen mit einem langen und ungünstigen, letztlich bisher ohne dauerhaften Erfolg gebliebenen Behandlungs- und Krankheitsverlauf und bei Betroffenen, denen bereits vor Inkrafttreten des § 8 UBG über eine lange Zeit hin gegen deren Willen zwangsweise im Maßregelvollzug Medikamente verabreicht worden waren, verlangt die Schwere des beabsichtigten Grundrechtseingriffs detaillierte, nachvollziehbare Darlegungen, weswegen die nunmehr von den Behandlern vorgeschlagene Medikation, zu der die Zustimmung erteilt wird, noch Erfolg versprechen sollte.
3. Ein vager, bloß an theoretisch vorstellbaren Entwicklungen ausgerichteter "Behandlungsoptimismus", der sich in einem "Durchprobieren" sämtlicher noch nicht erprobter Medikamente erschöpft, kann als Beleg für die "Geeignetheit" einer Zwangsbehandlung i. S. v. § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1b, Satz 2 UBG bei schon langjährig im Maßregelvollzug zwangsweise mit Medikamenten behandelten Patienten in der Regel nicht ausreichen.
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Entscheidung vom 09.01.2014; Aktenzeichen 8 StVK 159/13) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Ravensburg vom 9. Januar 2014 mit den Feststellungen
a u f g e h o b e n.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
Gründe
I.
1.
Mit der angefochtenen Entscheidung vom 9. Januar 2014 erteilte das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Ravensburg auf Antrag der Maßregelvollzugseinrichtung vom 8. Januar 2014, den das Zentrum für Psychiatrie (ZfP) unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme vom 23. September 2013 gestellt hatte, die Zustimmung nach § 8 Abs. 5 Satz 1 Unterbringungsgesetz Baden-Württemberg (in der Neufassung vom 2. Juli 2013, gültig seit 12. Juli 2013; im Folgenden: UBG) zur Behandlung des Beschwerdeführers mit einer intramuskulären Verabreichung von 150 mg Xeplion alle vier Wochen, die im Falle der Weigerung auch zwangsweise verabreicht werden dürfte. Die Zustimmung wurde auf den Zeitraum von sechs Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung befristet.
Die Strafvollstreckungskammer hatte nach § 8 Abs. 5 Satz 1 UBG bereits mit Beschluss vom 4. Oktober 2013 die zwangsweise Behandlung des Betroffenen mit einem anderen Medikament angeordnet. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin hatte der Senat am 31. Oktober 2013 diesen Beschluss aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen, da der angefochtene Beschluss sachlich-rechtlicher Prüfung nicht standhielt und hinsichtlich mehrerer wesentlicher Punkte lückenhaft war. Insbesondere fehlte damals die Darstellung der Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme gem. § 329 Abs. 1 FamFG und dessen wesentlichen Inhalts.
2.
Der angefochtenen Entscheidung lassen sich u. a. folgende Feststellungen der Kammer zum bisherigen Verlauf von Krankheit, Unterbringung und Behandlung entnehmen:
Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts vom 7. Dezember 2007, rechtskräftig seit 24. April 2008, wegen räuberischen Diebstahls und Diebstahls mit Waffen unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl zu der Gesamtstrafe von 10 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt sowie wegen Diebstahls in drei weiteren Fällen zu der weiteren Gesamtstrafe von 3 Monaten Freiheitsstrafe; zudem wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die einstweilige Unterbringung und somit der Aufenthalt im psychiatrischen Krankenhaus hatten am 27. November 2007 begonnen. Die Maßregel wird seither ununterbrochen im ZfP X. vollzogen.
Dem angefochtenen Beschluss lässt sich weiter entnehmen, dass bei dem nun 33 Jahre alten Beschwerdeführer bereits im 13. Lebensjahr eine Psychose diagnostiziert wurde. Er hat allerdings die ärztliche Behandlung abgebrochen. Im Jahr 2004 hat er sich erneut in nervenärztliche Behandlung begeben. Weiter wurde er im Oktober 2005 stationär behandelt, dabei wurde eine paranoide Psychose diagnostiziert. Er verließ allerdings die Klinik gegen ärztlichen Rat. Im Februar 2006 befand er sich erneut stationär in der Universitätsklinik A. Es wurde wieder eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Im März 2006 wurde er in das ZfP Y. aufgenommen, allerdings erneut auf eigenen Wunsch entlassen. Im August 2006 befand er sich aufgrund eines Beschlusses des Amts...