Leitsatz (amtlich)
1. Zur Aufklärungspflicht des Leasinggebers, wenn der Leasingnehmer den späteren Erwerb des Fahrzeugs vom Händler zur Bedingung für den Abschluss des Leasingvertrags macht. Und zu den Rechtsfolgen einer Aufklärungspflichtverletzung.
2. Zur Berechnung des Nutzungsersatzes bei einem rückabzuwickelnden Leasingvertrag mit einer solchen Ankaufsvereinbarung.
Normenkette
BGB §§ 241, 278, 280, 311
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 19.06.2023; Aktenzeichen 6 O 67/23) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 19.06.2023, Az. 6 O 67/23, abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, das Fahrzeug Jaguar ..., an die Klägerin Zug um Zug gegen Zahlung von 59.036,72 EUR brutto herauszugeben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin zu 66 % und die Beklagte zu 34 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 90.000,00 EUR
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe eines PKW Jaguar ... nach Ablauf der Laufzeit eines zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden nur als Klägerin bezeichnet) und der Beklagten geschlossenen Leasingvertrags geltend.
Bei Abschluss des Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung im August 2018 wurden eine Gesamtfahrleistung von 80.000 km, eine Leasing-Sonderzahlung von 10.000,00 EUR sowie monatliche Leasingraten in Höhe von 999,00 EUR vereinbart. Dem Vertrag lagen die Leasing-Bedingungen der Klägerin zugrunde (Anl. K 1 d. eA. LG).
Der Vertrag kam unter Mitwirkung des Autohauses R. GmbH als Händlerin zustande.
Unter dem 29.08.2018 schickte der Zeuge Fü., der Geschäftsführer der Autohaus R. GmbH, dem Geschäftsführer der Beklagten P. Fr. ein Schreiben (Anl. B 1 d. eA. LG) mit dem folgenden Inhalt:
"Sehr geehrter Herr Fr.,
hiermit bestätigen wir, dass wir Ihnen das oben genannte Fahrzeug nach Ablauf der Leasingdauer von 48 Monaten zu einem Preis von 50.505,72 EUR zuzüglich der zu diesem Zeitpunkt gültigen Mehrwertsteuer anbieten und verkaufen werden. Eine Schadensbegutachtung und eine Mehr- oder Minderkilometerabrechnung entfällt in diesem Fall.
Freundliche Grüße Autohaus R. GmbH"
Die Laufzeit des Leasingvertrags endete zum 29.08.2022. Mit Schreiben vom 30.05.2022 forderte die Klägerin die Beklagte vorab zur Mitwirkung bei der Rückgabe auf (Anl. K 2 d. eA. LG). Nachdem die Beklagte das Fahrzeug nach Vertragsende nicht zurückgab, wurde sie mit Schreiben vom 10.11.2022 zur Fahrzeugrückgabe bis spätestens 17.11.2022 beim Autohaus B. in G. aufgefordert (Anl. K 3 d. eA. LG).
Mit Schreiben vom 28.02.2023 (Anl. B 2 d. eA. LG) verlangte die Beklagte von der Klägerin Rückabwicklung des Vertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage und forderte sie auf, Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs 61.596,54 EUR zu zahlen. Diesen Betrag errechnete sie aus gezahlten Leasingraten in Höhe von 64.796,32 EUR abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.199,78 EUR. Die Nutzungsentschädigung ermittelte sie auf der Basis des Bruttokaufpreises des Fahrzeugs in Höhe von 130.900,00 EUR, 11.000 gefahrenen Kilometern sowie einer nach Angabe der Beklagten zu erwartenden Gesamtfahrleistung von 450.000 km.
Die Beklagte meint, dass ihr gegen den Anspruch der Klägerin auf Rückgabe des Fahrzeugs ein Zurückbehaltungsrecht zustehe.
Da die Geschäftsgrundlage des Leasingvertrags weggefallen sei, sei dieser rückabzuwickeln. Daher seien beide Parteien verpflichtet, die gegenseitigen Leistungen zurückzugewähren. Sie sei zur Rückgabe des Fahrzeugs verpflichtet, allerdings nur Zug um Zug gegen Zahlung von 61.596,54 EUR.
Die Beklagte trägt vor, die Zeugen Fü. und S., der Geschäftsführer und der Verkäufer bei der Autohaus R. GmbH, diese handelnd für die R. GmbH, hätten dem Geschäftsführer der Beklagten, handelnd für die Beklagte, ein Ankaufsrecht gewährt. Dies ergebe sich auch aus dem Schreiben vom 29.08.2018 (Anl. B 1 d. eA. LG).
Der sichere Erwerb des Fahrzeugs zum Ende der Leasingzeit sei, wie der Klägerin und der Beklagten bekannt gewesen sei, für die Beklagte die unabdingbare Voraussetzung für den Abschluss des Leasingvertrags gewesen. Der Klägerin sei allgemein bekannt gewesen, dass den Leasingnehmern diese Möglichkeit eingeräumt wurde. Sie sei damit einverstanden gewesen, solange der Weiterverkauf nicht unmittelbar über sie, sondern über das jeweilige vermittelnde Autohaus erfolgt...