Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorstand. Widerruf. Vorstandsvergütung. Widerruf Vorstandsbestellung in Zwei-Mann-AG. Widerrufsgrund: Versteigerererlaubnis. Vorstandsvergütung bei fehlender Vereinbarung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Abberufung eines Vorstandsmitglieds durch den Aufsichtsrat wegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG steht grundsätzlich nicht entgegen, dass bezüglich der Person eines anderen Vorstandsmitglieds vergleichbare Umstände vorliegen, die auch dessen Abbestellung rechtfertigen würden. Dem Aufsichtsrat ist ein Ermessen nicht nur dahingehend eingeräumt, ob er von der Befugnis zum Widerruf Gebrauch macht, sondern auch dazu, welches von mehreren Vorstandsmitgliedern in derartigen Situationen abberufen werden soll.
2. Das gilt grundsätzlich auch bei einer personalistisch geprägten Aktiengesellschaft, bei der die beiden Vorstände mit den beiden (Haupt-)Gesellschaftern identisch sind. Die Einschränkungen für die Abberufung von GmbH-Gesellschaftern einer Zwei-Mann-GmbH lassen sich auf die Aktiengesellschaft nicht unbesehen übertragen.
3. Ein wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung eines Vorstands einer Aktiengesellschaft, die nach dem in der Satzung geregelten Zweck Auktionen durchführt, kann sich daraus ergeben, dass der Vorstand die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht beibringen kann, die für die gewerberechtlich vorgeschriebene und dem jeweils Vertretungsberechtigten der juristischen Person zu erteilende Versteigerererlaubnis vorausgesetzt wird.
4.
- Ein Anspruch auf Vergütung der Vorstandstätigkeit folgt nicht aus § 87 Abs. 1 AktG. Ob eine Vergütung geschuldet ist, bestimmt sich bei fehlender Vereinbarung nach allgemeinem Dienstvertragsrecht (§ 612 BGB).
- Ob die Vorstandstätigkeit den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten ist (§ 612 Abs. 1 BGB), richtet sich danach, ob die Entgeltlichkeit aus der objektiven Sicht des Aufsichtsrats zu erwarten war, der zur Anstellung des Vorstands berufen ist. Die dafür maßgeblichen Umstände hat der Vorstand darzulegen und zu beweisen.
- Für das Vorliegen solcher Umstände spricht keine Vermutung, wenn der Vorstand zugleich Hauptgesellschafter der neu gegründeten, personalistisch geprägten Aktiengesellschaft ist, die sich noch in der Start-Up-Phase befindet.
Normenkette
AktG § 84; GewO § 34b; AktG § 87; BGB § 612 Abs. 1, § 626; AktG § 89 Abs. 5; Akt § 89 Abs. 1; AktG § 93 Abs. 2, 3 Nr. 8
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 30.04.2001; Aktenzeichen 6 KfH O 113/00) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 30.04.2001 – 6 KfH O 113/00 – wird
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 51.000,– abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer des Klägers:
Klage |
DM 50.000,00 |
Widerklage: |
DM 80.000,00 |
Hilfsaufrechnung: |
DM 80.000,00 |
Gesamt: |
DM 210.000,00 = EUR 107.371,29 |
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen seine Abberufung als Vorstandsmitglied der beklagten Aktiengesellschaft sowie gegen die Kündigung seines Dienstverhältnisses. Die Beklagte macht mit der Widerklage die Rückzahlung von Beträgen geltend, die sich der Kläger ihrer Ansicht nach zu Unrecht per Scheck hat aus dem Vermögen der Beklagten auszahlen lassen; weitere Zahlungen begehrt sie aus abgetretenem Recht des Vorstandsmitglieds und Mitgesellschafters U..
Die Beklagte ist aus einer Mantelgründung hervorgegangen, die der Gesellschafter U. erworben hatte. Dieser veräußerte mit Kaufvertrag vom 5. Januar 2000 21.350 Stückaktien der insgesamt 50.000 Aktien an den Kläger. Aufgrund dessen hält der Kläger einen Anteil an der Beklagten von 42,5 %, U. hält den übrigen Anteil.
Mit der Satzungsänderung vom 05.01.2000 (Anl. B 31, Bl. I 230 ff, I 243 ff) wurden u.a. die Firma und der Geschäftsgegenstand der Beklagten geändert. Gegenstand des Unternehmens ist seither die Verwaltung und Vermietung von Immobilien sowie die Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Grundstücksauktionen und -versteigerungen (§ 2). Der Sitz wurde nach K. verlegt. Neben U. wurde der Kläger am 05.01.2000 zum Vorstandsmitglied bestellt (Protokoll der Aufsichtsratssitzung Bl. I 7). Das Amtsgericht K. verlangte von der Beklagten die Vorlage einer Versteigerererlaubnis nach § 34 b GewO (Schreiben 04.04.2000, Anl. B 33, Bl. I 248). Die Beklagte nahm den Eintragungsantrag am 30.05.2000 zurück (Bl. I 261) und beschloss am selben Tag eine weitere Sitzverlegung nach S. (vgl. Bl. I 249 ff).
Im Zeitraum Ende 1999/Anfang 2000 wurde der Kläger an zwei weiteren Aktiengesellschaften mit vergleichbaren Geschäftsgegenständen beteiligt bzw. als deren Vorstand bestellt, nämlich an der Europäische H. AG (vgl. Anl. K 2, Bl. I 11) sowie an der Deutsche H. AG, mit der der Kläger in der Sache 20 U 59/01 ei...