Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Frage, ob das Tatbestandsmerkmal "nicht geringe Menge" eines Cannabisproduktes in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt ist, ist die dem Messvorgang innewohnende Messunsicherheit zugunsten des Angeklagten von dem gemessenen Wirkstoffgehalt an verfügbarem Tetrahydrocannabinol (THC) abzuziehen.
2. Dieser Sicherheitsabschlag ist in Höhe der jeweiligen laborinternen Messungenauigkeit der eingesetzten Messgeräte vorzunehmen.
Normenkette
BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 30.03.2016; Aktenzeichen 5 Ns 16109/14) |
LG Ravensburg (Entscheidung vom 30.03.2016; Aktenzeichen 1 Ls 16109/14) |
AG Tettnang (Entscheidung vom 24.11.2015; Aktenzeichen 21 Js 16109/14) |
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 30. März 2016 wird mit der klarstellenden Maßgabe als unbegründet
verworfen,
dass im Tenor der angefochtenen Entscheidung auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts Tettnang vom 24.11.2015 abgeändert wird.
Die Kosten der Revision und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tettnang hat den Angeklagten mit Urteil vom 24. November 2015 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Tettnang vom 04. August 2015 und der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tettnang vom 17. April 2015 zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft Ravensburg hat das Landgericht Ravensburg das amtsgerichtliche Urteil - im Tenor versehentlich als Urteil vom 24.11.2014 anstatt 2015 bezeichnet - am 30. März 2016 mit der Maßgabe abgeändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig ist. Er wurde unter Einbeziehung der vorstehend genannten Strafen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt, wobei die dort getroffenen Nebenentscheidungen aufrechterhalten wurden.
Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft Ravensburg, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Die Staatsanwaltschaft ist der Auffassung, das Landgericht Ravensburg habe rechtsfehlerhaft von einer Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge abgesehen.
II.
Das Urteil des Landgerichts Ravensburg hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand, da der Angeklagte sich nicht wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sondern lediglich wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG strafbar gemacht hat.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bewahrte der Angeklagte am 21. August 2014 in seiner Wohnung in F., G., insgesamt 220 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 7,612 +/- 0,380 Gramm verfügbarem Tetrahydrocannabinol (THC) auf, ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Erlaubnis zu sein, was er auch wusste. Das Rauschgift wollte er ausschließlich zum Eigenkonsum verwenden, um hierdurch die Symptome seiner Grunderkrankungen Diabetes insipidus und Langerhans-Zell-Histiozytose zu lindern. Unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg, wonach der Wirkstoffgehalt der aufgefundenen 220 Gramm Marihuana bei 7,612 +/- 0,380 Gramm liege, wobei letzterer Wert die Schwankungsbreite des eingesetzten Messgerätes in Höhe von höchstens fünf Prozent ausweise, ging das Landgericht bei Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags in Höhe dieser fünf Prozent für Messungenauigkeiten vorliegend von einer verfügbaren Menge an THC von 7,232 Gramm aus. Da unter Abzug dieses Sicherheitsabschlags der festgestellte Wirkstoffgehalt den durch den Bundesgerichtshof festgelegten Grenzwert der nicht geringen Menge für Cannabisprodukte von 7,5 Gramm THC unterschritt, wertete das Landgericht das Handeln des Angeklagten als unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln und sah den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG als nicht erfüllt an.
Die Staatsanwaltschaft Ravensburg ist der Auffassung, der Grenzwert von 7,5 Gramm THC als nicht geringe Menge enthalte bereits einen Sicherheitsabschlag für Messunsicherheiten. Da die heutigen Messgeräte eine noch geringere Fehlerbreite als im Zeitpunkt der Festlegung des Grenzwertes durch den BGH aufweisen, sei die Vornahme eines weiteren Abschlags rechtsfehlerhaft.
2. Die Überprüfung des Urteils ergibt keinen Rechtsfehler. Die angefochtene Verurteilung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Das Tatbestandsmerkmal der "nicht geringen Menge" in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG beträgt für Cannabisprodukte 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) (BGHSt 33, 8; BGHSt 42, 1; BGH, Beschluss vom 07. Februar 1...