Leitsatz (amtlich)
1. Ein Werk (hier: Personenaufzug) ist mangelhaft, wenn wegen Schadensfällen an Maschinen der gleichen Bauart zum Fortbestehen der Betriebserlaubnis Sonderprüfungen angeordnet werden.
2. Ob ein Mangel vorliegt, ist nach den Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt der Selbstvornahme zu beurteilen. Spätere Erkenntnismöglichkeiten durch einen Fortschritt der Wissenschaft, die das Vorliegen eines Mangels in Frage stellen, stehen einem Kostenerstattungsanspruch nicht entgegen.
Normenkette
VOB/B § 13 Nrn. 1, 5 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 07.02.2012; Aktenzeichen 26 O 59/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des LG Stuttgart vom 7.2.2012 - 26 O 59/09, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil und das angefochtene Teilurteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: 27.026,95 EUR
Gründe
I. Streitig sind Kosten, die der Klägerin beim Austausch eines Aufzugsgetriebes im Jahr 2009 entstanden sind.
Die Beklagte hat sich als Generalunternehmerin am 11.4.2002 gegenüber der Klägerin zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit einer Aufzugsanlage in A verpflichtet. Die Aufzugsanlage wurde im Auftrag der Beklagten von der Streithelferin installiert, wobei diese ein Getriebe der Fa. G verwandte. Die Arbeiten der Beklagten wurden von der Klägerin am 30.10.2003 abgenommen.
Wegen Schwierigkeiten an Aufzugsanlagen, in denen ebenfalls dieser Getriebetyp eingebaut worden war, veranlasste die Fa. G eine Überprüfung durch den TÜV O. Außerdem wurden in zwei vor dem LG B geführten Verfahren wegen dieses Getriebetyps Gutachten eingeholt.
Nachdem die WEG in A gegenüber der Klägerin unter Hinweis auf eine Sonderprüfung des Aufzugs durch den TÜV O wegen stattgefundener Schadensfälle die Sicherheit des Aufzugs gerügt und dessen Nachrüstung gefordert hatte, wandte sich die Klägerin am 28.7.2006 an die Streithelferin und am 8.3.2007 an die Beklagte.
Im Rahmen des von der Klägerin am 29.6.2007 beim AG A eingeleiteten Beweisverfahrens erstellte der Sachverständige Dipl.-Ing. F am 29.1.2008 ein Gutachten, das er am 23.4.2008 mündlich erläuterte. Nach Vorlage seines Ergänzungsgutachtens vom 1.8.2008 forderte die Klägerin die Beklagte am 12.8.2008 auf, den Aufzug bis zum 9.9.2008 nachzurüsten. Mit E-Mail vom 26.3.2009 wies die Streithelferin die Klägerin auf die Möglichkeit hin, die Betriebssicherheit der Anlage mittels einer Doppelverstiftung wieder zu erlangen und legte am 22.4.2009 ein Angebot für diese Arbeiten vor. Der Aufzugsantrieb wurde noch im Jahr 2009 von der Streithelferin nachgerüstet.
Für den weiteren Sach- und Streitstand erster Instanz wird auf den Tatbestand des mit der Berufung angegriffenen Teilurteils vom 7.2.2012 verwiesen, mit dem der Klage, soweit sie sich auf den Ersatz der Kosten für die Nachrüstung des Aufzugs erstreckt, stattgegeben wurde.
Der Erlass eines Teilurteils sei zulässig. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen bestehe nicht. Die von der Klägerin vorgenommene Klagänderung (Vorschuss für Kosten der Ersatzvornahme - Ersatz der Ersatzvornahmekosten) sei gleichfalls zulässig. Mit der Klagänderung könne ein neuer Prozess vermieden werden.
Der von der Klägerin verfolgte Zahlungsanspruch bestehe. Die Parteien hätten bei Abschluss des Werkvertrags die VOB/B 2000 einbezogen. Die Beklagte habe den streitgegenständlichen Aufzug innerhalb der ihr von der Klägerin gesetzten Frist nicht nachgebessert, obwohl der Aufzug mangelhaft gewesen sei. Der von den allgemein anerkannten Regeln der Technik geforderte Sicherheitsfaktor von 2,0 sei in praxisrelevanten Situationen nicht gewährleistet gewesen, so dass nicht erheblich sei, ob es bei vergleichbaren Aufzügen zu Abstürzen gekommen oder am streitgegenständlichen Aufzug tatsächlich eine Vorschädigung eingetreten sei.
Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten i.H.v. 27.026,95 EUR seien zur Nachrüstung erforderlich gewesen. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, sich auf eine Doppelverstiftung einzulassen. Der Sachverständige habe erklärt, dass diese Nachrüstung den Sicherheitsfaktor nicht ausreichend erhöhe. Ein Auftraggeber dürfe die sicherste Art der Mangelbeseitigung wählen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Der Aufzug sei nicht mangelhaft gewesen. Bei dem vom Sachverständigen F zur Ermittlung des Sicherheitsfaktors herangezogenen Stoßfaktor von 2,0 handle es sich um einen der Planungsphase zuzurechnenden Sicherheitspuffer. Mit dieser Rechnungsgröße solle ausschließlich gewährleistet werden, dass ein Getriebe auch dann allen Beanspruchungen standhalte, wenn seine Produktion nicht plan- und fachgerecht erfolgt sei. Ein Kriterium für die Frage, ob ein Produkt den allgemein an...