Leitsatz (amtlich)
1. Die gerichtliche Rückkehraufforderung nach Art. 164 Abs. 2 türk. ZGB durch ein deutsches Gericht erfordert - entgegen dem türkischen Verfahrensrecht - eine Sachprüfung zur Berechtigung des Verlangens des den Antrag stellenden Ehegatten, um bei Erfolglosigkeit eine darauf gestützte Scheidungsklage zu begründen.
2. Eine ohne jegliche Sachprüfung durch Endurteil ergehende gerichtliche Rückkehraufforderung eines deutschen Gerichts i.S.d. Art. 164 Abs. 2 türk. ZGB verletzt wesentliche deutsche Verfahrensvorschriften. Die gebotene sachliche Überprüfung ist dann im Scheidungsverfahren nachzuholen. Die Rechtskraft des Rückkehraufforderungsurteils steht dem nicht enntgegen.
Verfahrensgang
AG Besigheim (Urteil vom 07.10.2004; Aktenzeichen 1 F 754/04) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Ehefrau wird das Urteil des AG Besigheim - FamG - vom 7.10.2004 abgeändert.
Der Scheidungsantrag des Ehemanns wird abgewiesen.
II. Der Ehemann trägt die Kosten beider Rechtszüge.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: Ehesache 2.000 EUR.
Gründe
I. Der am 25.7.1978 geborene Antragsteller und die am 9.12.1980 geborene Antragsgegnerin haben am 26.12.2001 in Samsun-Atakum/Türkei die Ehe geschlossen. Sie sind türkische Staatsangehörige.
Nach der Eheschließung zog die Antragsgegnerin zum Antragsteller in die Bundesrepublik Deutschland, der hier schon zuvor lebte. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen.
Die Eheleute waren sich über die jeweiligen Familien schon vor der Eheschließung bekannt. Der Antragsteller hat seine Ehefrau - wie er sagt - im Jahre 2000 "näher kennengelernt" und ist zusammen mit ihr ausgegangen. Wenige Tage später offenbarte er der Frau, dass er sie gerne in Deutschland haben wolle. Dies scheiterte zunächst daran, dass die Frau nicht nach Deutschland ziehen wollte. Der Antragsteller seinerseits war nicht bereit, zukünftig wieder in seiner Heimat zu leben. Dennoch trafen sich die Parteien im darauffolgenden Jahr 2001 wieder. Der Mann verbrachte seinen Urlaub im Haushalt der zukünftigen Schwiegereltern. Die Parteien verlobten sich und heirateten am 26.12.2001 standesamtlich. Am 22.6.2002 feierten sie hier in Deutschland die Hochzeit. Anschließend lebten die Eheleute etwa ein Jahr in Deutschland zusammen bis zum 22.7.2003.
Der Mann sieht die Sache so, dass ihn die Frau ohne rechtfertigenden Grund verlassen habe. Sie habe ihn mit der Heirat nur ausgenutzt, um so einfacher nach Deutschland kommen zu können und um ihre Eltern besser versorgen zu können. Schon im August 2002 habe man in der Ehewohnung getrennt gelebt. Gewaschen und gekocht habe seine eigene Mutter. Man habe getrennte Betten gehabt. Die Frau habe sich selbst versorgt (gewaschen und gekocht). Die Eheschließung sei ein Fehler gewesen, was sich ihm gleich zu Beginn des Zusammenlebens gezeigt habe. Die Eheleute hätten nicht zueinander gepasst.
Das stellt die Frau in Abrede. Sie fühlt sich dagegen eher von der Schwiegermutter unter Druck gesetzt, insb. wegen ihres Umgangs mit Freunden und ihrer eigenen Familie. Sie habe demzufolge darauf bestanden, dass der Mann eine Ehewohnung außerhalb des unmittelbaren Einwirkungsbereichs seiner Eltern suche und mit ihr wegziehe. Die Probleme hätten sich somit wegen der Familie des Mannes ergeben.
Bei ihrem Weggang aus der Ehewohnung am 22.7.2003 - als Reaktion auf die Zustellung des ersten Scheidungsantrags des Mannes - habe sie zwar die Wohnungsschlüssel im Briefkasten hinterlassen. Sie sei jedoch lediglich besuchshalber in die Türkei zurückgereist. Der Mann hat die Frau jedoch umgehend am 5.8.2003 beim Ausländeramt abgemeldet.
Die prozessuale Entwicklung stellt sich folgendermaßen dar: Im Verfahren 1 F 835/03 hat der Mann am 11.7.2003 einen ersten Scheidungsantrag beim AG Besigheim eingereicht. Dieser wurde der Antragsgegnerin am 19.7.2003 zugestellt (Bl. 6). Das AG hat den Scheidungsantrag mit Urt. v. 28.10.2003 abgewiesen und hierbei eine Zerrüttung als nicht erwiesen angesehen. Das Urteil wurde dem Mann und der Frau jeweils am zugestellt am 10.11.2003. Es wurde am 11.12.2003 rechtskräftig.
Bereits mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18.11.2003 hatte der Mann die Frau binnen Fristsetzung zum 25.11.2003 zur Rückkehr in die Ehewohnung auffordern lassen.
Die unterlassene Rückkehr der Frau in die Ehewohnung nahm der Ehemann zum Anlass, am 27.11.2003 eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens beim AG Besigheim - 1 F 1483/03 - anhängig zu machen und die Ehefrau dabei erneut aufzufordern, binnen 2 Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung in die Ehewohnung zurückzukehren. Zugestellt wurde der Frau dieser Antrag am 17.12.2003. Die Frau bezweifelte eine Verpflichtung zur Rückkehr, weil ihre Persönlichkeit, ihre wirtschaftliche Sicherheit oder der Friede der Familie durch das Zusammenleben erheblich gefährdet sei. Einzelheiten im Vortrag findet man dazu nicht. Allerdings bemängelt die Frau, dass zwischen der Rechtskraft des den ersten Scheidungsantrag abweisenden Urteils und der gerichtlichen A...