Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 20 O 471/21) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.12.2021 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Berufung der Klagepartei wird zurückgewiesen.
3. Die Klagepartei hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klagepartei wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis 25.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. A. Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs, da dieses von der Beklagten mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen worden sei.
Die Klagepartei kaufte das streitgegenständliche Fahrzeug Mercedes-Benz E 220 T CDI am 03.11.2015 von einem am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten als Gebrauchtfahrzeug mit einer damaligen Laufleistung von 24.373 km zu einem Preis von 36.400,00 EUR. Das Fahrzeug war von der Beklagten unter Verwendung eines Motors mit der Bezeichnung OM 651 hergestellt worden und verfügt über eine EG-Typgenehmigung nach der Schadstoffklasse Euro 5.
In dem Fahrzeug kommt eine Abgasrückführung (AGR) zur Anwendung, bei der das im Rahmen der Verbrennung entstandene Abgas in den Brennraum zurückgeleitet wird und somit erneut an der Verbrennung teilnimmt, was sich mindernd auf die Stickoxidemissionen (NOx-Emissionen) auswirkt. Die AGR arbeitet bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug u.a. temperaturgesteuert, wird also beim Unterschreiten einer Schwellentemperatur reduziert.
Weiter verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug über eine sogenannte "Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung" (KSR), auch als "geregeltes Kühlmittelthermostat" bezeichnet, bei der die - durch den Einsatz einer Kühlung - verzögerte Erwärmung des Motoröls zu niedrigeren NOx-Emissionen führt.
Erstinstanzlich hat die Klagepartei beantragt für Recht zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 23.110,94 EUR (Kaufpreis abzüglich der bereits als möglich berechenbaren Nutzungsentschädigung mit Kilometerstand bei Klageinreichung) abzüglich einer weiter zu berechnenden vom Gericht auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km zu berechnenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Zugrundelegung des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Mercedes-Benz E 220 CDI mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer WDD2122021B ....
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.375,88 EUR freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
B. Das Landgericht hat in der Sache wie folgt für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.859,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2021 zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Mercedes-Benz E 220 CDI mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer WDD2122021B ....
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.214,99 EUR freizustellen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht u.a. ausgeführt, der Klagepartei stehe ein Zahlungsanspruch in der tenorierten Höhe gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 4 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 2 und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu. Die Klagepartei habe einen Schaden in Form der Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung aus dem Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug erlitten. Dieser Schaden sei durch ein jedenfalls fahrlässiges Verhalten der Beklagten entstanden. Bei den genannten Bestimmungen handele es sich um Schutzgesetze im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB.
C. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Beklagte mit dem Ziel einer vollständigen Klageabweisung; die Klagepartei mit dem Ziel ihr in der Hauptsache einen über den titulierten Schadensbetrag hinaus weiteren Schadensbetrag in Höhe von 3.200,38 EUR zuzuerkennen.
Die Beklagte beantragt mit ihrer Berufung für Recht zu erkennen:
die Klage unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 30.12.2021 (Az.: 20 O 471/21) in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klagepa...