rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Form der Vertragsniederschrift als Voraussetzung für die Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse. Registrierung von Lehrverträgen nach dem Berufsbildungsgesetz
Leitsatz (amtlich)
Die Industrie- und Handelskammer als zuständige Stelle nach dem Berufsbildungsgesetz ist nicht befugt, durch Satzungsrecht für die Niederschrift des Berufsausbildungsvertrages die Benutzung eines von ihr herausgegebenen Vertragsformulars als formelle Voraussetzung für die Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse vorzuschreiben.
Normenkette
BBiG §§ 4, 32, 44
Verfahrensgang
VG Koblenz (Urteil vom 26.06.1973; Aktenzeichen 1 K 154/72) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 26. Juni 1973 – 1 K 154/72 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die beklagte Industrie- und Handelskammer hat nach dem Berufsbildungsgesetz Berufsausbildungsverträge (Lehrverträge) zu überprüfen und in ein entsprechendes Verzeichnis einzutragen. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verlangen kann, daß die ihr zur Eintragung vorgelegten Verträge auf einem von ihr entworfenen Vertragsformular abgeschlossen sein müssen.
Die Klägerin legte mit Schreiben vom 10, August 1972 der Beklagten 15 Lehrverträge, die sie auf ihrem eigenen Vertragsformular, das weitgehend auf einen Tarifvertrag verweist, abgeschlossen hatte, zur Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverträge vor. Die Beklagte reichte der Klägerin die Verträge zurück mit der Bitte, die von ihr herausgegebenen Vertragsvordrucke zu benutzen. Die Klägerin lehnte dieses ab und legte die Verträge, die inhaltlich unstreitig den Anforderungen des Berufsbildungsgesetzes entsprachen, unverändert wieder vor. Die Beklagte verweigerte die Registrierung der Verträge. Nach erfolglosem Vorverfahren erhob die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens erklärte sich die Beklagte bereit, die Verträge in die Liste der Berufsausbildungsverträge einzutragen. Die Klägerin führte das Verfahren fort mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Registrierung der von ihr vorgelegten Verträge feststellen zu lassen. Sie hat geltend gemacht: Für das Verlangen der Beklagten, deren Vertragsformulare zu benutzen, gebe es keine Rechtsgrundlage. Nach dem Berufsbildungsgesetz könne der Ausbildungsvertrag formlos abgeschlossen werden. Sie – die Klägerin – sei kein Mitglied der Beklagten und unterliege deshalb nicht deren Satzungsgewalt. Die Registrierung der Lehrverträge sei zudem eine Auftragsangelegenheit der Beklagten, zu deren Durchführung sie ohnehin nicht befugt sei, als Selbstverwaltungskörperschaft Satzungen zu erlassen. Das Berufsbildungsgesetz enthalte keine Ermächtigung, in die privatrechtliche Gestaltungsfreiheit der Vertragsparteien einzugreifen.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß die Ablehnung der Eintragung rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Das von ihr herausgegebene Ausbildungsvertragsformular decke sich inhaltlich mit dem vom Bundesausschuß für Berufsbildung am 9. Juni 1971 verabschiedeten Muster eines Berufsausbildungsvertrages. Der Bundesausschuß habe den zuständigen Stellen empfohlen, für eine bundeseinheitliche Verwendung des Vertragsmusters zu sorgen. Sie selbst – die Beklagte – habe gemäß den §§ 44, 58 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes aufgrund des Beschlusses des Berufsbildungsausschusses in der Sitzung vom 8. Dezember 1971 folgende Regelung erlassen:
„Für die Niederschrift des Berufsausbildungsvertrages ist der gemäß der Empfehlung des Bundesausschusses für Berufsbildung von der Industrie- und Handelskammer zu … herausgegebene Vordurck zu verwenden.”
Dieser Beschluß sei ordnungsgemäß ausgefertigt und veröffentlicht worden. Nach den genannten Gesetzesbestimmungen sei sie befugt, die Durchführung der Berufsausbildung, insbesondere die formellen Voraussetzungen für die Eintragung des Vertrages in das von ihr geführte Verzeichnis der Ausbildungsverhältnisse, zu regeln. Soweit es sich aus der gesetzlich zugewiesenen Aufgabe ergebe, könnten außer den Kammerzugehörigen auch Dritte ihrem Satzungsrecht unterliegen. Durch das Vertragsmuster werde die Privatautonomie nicht beeinträchtigt. Ihr Formular enthalte die in § 4 Abs. 1 des Berufsbildungsgesetzes aufgestellten Mindestvoraussetzungen für Ausbildungsverträge. Diese Merkmale müßten die Vertragspartner ohnehin vereinbaren. Darüber hinausgehende, den Auszubildenden begünstigende Regelungen seien durch das Vertragsmuster nicht ausgeschlossen, da es Raum für besondere Vereinbarungen enthalte, die auch in einem Hinweis auf einen Tarifvertrag bestehen könnten. Für die Verwendung des Vertragsmusters bestehe eine dringende Notwendigkeit. Sie habe in ihrem Bezirk jährlich durchschnit...