Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB
Kommentar
1. Ein Eigentümer hatte seine Einheit ausweislich des Klingelschildes als "Institut für Körperbewusstsein" vermietet. In dieser Einheit wurde jedoch ein Bordell mit "Kunden-Empfang" bis spät in die Nacht hinein betrieben. Da es bereits zu Belästigungen verschiedener Art gekommen war, wurde der betreffende Eigentümer in einer Eigentümerversammlung aufgefordert, in gesetzter Frist diese Nutzung zu unterlassen.
Das AG verbot die Nutzung und drohte dem Antragsgegner für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu DM 500.000,-, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten an. Die Beschwerde hiergegen blieb ohne Erfolg.
2. Die Nutzung der Einheit zur Ausübung der Prostitution widerspricht im vorliegenden Fall nicht nur dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen ( § 15 Abs. 3 WEG), sondern ist sogar geeignet, die Interessen und Wohnwerte der übrigen Eigentümer zu schädigen. Der Antragsgegner kann sich auch nicht darauf berufen, nur der Vermieter seiner Einheit zu sein und nichts über die tatsächliche Nutzung seiner Gewerbeeinheit gewusst zu haben, da er durch die Vermietung die Ursache für diese Nutzung gesetzt hat und es ihm deshalb oblegen hätte, entsprechende Erkundigungen einzuziehen. Die Telefonnummer zur Einheit war auch in entsprechender Rubrik der Boulevardpresse eindeutig inseriert. Ob Belästigungen tatsächlich stattfanden oder nicht, kann dahinstehen; nach Ansicht der Kammer ist es ausreichend, wenn sich herumspricht, dass in der Einheit einer Eigentumswohnanlage der Prostitution nachgegangen wird, da dies in der Regel zu einer Wertminderung der übrigen Einheiten führt. Allein diese Wertminderung stellt bereits einen für die anderen Wohnungseigentümer nicht hinnehmbaren Nachteil dar. Es kommt insoweit deshalb auch nicht darauf an, ob die streitgegenständliche Nutzung auch gegen die guten Sitten verstößt, d.h. auf die Frage, ob die Mehrheit der Bevölkerung die Prostitution als verwerflich ansieht.
3. Diesem Ergebnis steht auch nicht die Entscheidung der Kammer vom 18. 4. 1999 (NJW-RR 90, 1355, 1356) entgegen. Dort ging es allein um eine Nutzungseinschränkung nach Hausordnungsregelung; dies sei nicht der Ort für solche Einschränkungen der Rechte der Wohnungseigentümer. Soweit dort die Kammer in einem obiter dictum ["beiläufig"; "ergänzend"] ausgeführt habe, dass in einer Eigentumswohnanlage, deren Wohnungen grundsätzlich zu gewerblichen Zwecken genutzt werden durften, eine Prostitution nicht von vornherein und ohne jegliche Ausnahme unzulässig sei, stehe dies der jetzigen Kammerentscheidung nicht entgegen. Zwar könne ein Eigentümer (und auch sein Mieter) innerhalb seines Sondereigentums grundsätzlich tun und lassen, was er wolle, solange er nicht die Belange der übrigen Eigentümer in einer nach § 14 Nr. 1 WEG verstoßenden Weise beeinträchtige. Dabei müsse eine Störung, die lediglich in einer Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens der übrigen Eigentümer bestehe, außer Betracht bleiben, da § 14 Nr. 1 WEG nicht der Durchsetzung sittlicher Wertvorstellungen diene. So wurde in dieser Entscheidung auch ausdrücklich als Beispiel angeführt, dass die Ausübung des "Gewerbes" eines "Callgirls" nicht ohne Weiteres zu nennenswerten Beeinträchtigungen für die übrigen Eigentümer führen müsse. Sollte aus der damaligen Entscheidung allerdings entnommen werden können, dass die Ausübung der Prostitution in einer Eigentumseinheit nicht zu einer Wertbeeinträchtigung der übrigen Eigentümer und damit einer Interessenschädigung führen könne, hält die Kammer daran jedenfalls nicht mehr fest.
Link zur Entscheidung
( LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 14.07.1999, 14 T 1899/99= NZM 1/2000, 54)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer