Prof. Dr. Eckart Brödermann
[Ohne Titel]
Rn 1
Mangels Rechtswahl beginnt die objektive Anknüpfung mit einer Zuordnung des Vertrages zu einer der im Katalog von Art 4 I spezifizierten Vertragsarten, die unionsrechtlich autonom auszulegen sind (s Vor ROM I Rn 12 ff). Diese Liste enthält eine Auswahl häufig verwendeter – innerhalb der EU zT unterschiedlich ausgestalteter – Verträge und anderer Rechtsgeschäfte, und ordnet sie entweder einer der acht Vertragstypen der Regelanknüpfung des Art 4 I oder der Regelanknüpfung des II zu. Dabei wird idR von der deutschen Erscheinungsform ausgegangen und diese unter Berücksichtigung der bisherigen kollisionsrechtlichen Einordnung nach dem EVÜ bzw ex Art 27 ff EGBGB eine Zuordnung zu den unionsrechtlichen Kategorien vorgenommen. Bei gemischten Verträgen wird regelmäßig II einschlägig sein, soweit es möglich ist, eine Leistung als charakteristisch zu bestimmen. Unberührt bleiben im Einzelfall die Ausweichklausel des III sowie die Auffangklausel des IV. Soweit ROM I für einzelne Vertragsarten besondere Anknüpfungsregeln bereithält, wird darauf verwiesen. Die Liste weist als erstes die entsprechende Zuordnung in Fettdruck aus. Im Einzelnen wird die Zuordnung im Laufe der Jahre von der Rspr und Lehre weiter zu konkretisieren und weiter zu entwickeln sein.
A.
I.
1. Abstraktes Schuldversprechen (Abs 2).
Rn 2
Der das abstrakte Schuldversprechen Abgebende erbringt die charakteristische Leistung. Die Einordnung entspricht der objektiven Anknüpfung nach ex Art 28 EGBGB an das Recht dessen, der ein solches abstraktes Schuldanerkenntnis abgibt (Staud/Magnus Art 4 Rz 433 mwN).
2. Abtretungsvertrag (Art 14).
Rn 3
Nach Art 14 I ist das Recht des Kausalgeschäfts maßgeblich (s die Kommentierung zu Art 14).
3. Anlagenbauvertrag (Abs 1 lit a).
Rn 4
Auf Anlagenbauverträge, also auf Verträge, die die schlüsselfertige Herstellung einer Anlage (turn-key contract) zum Gegenstand haben, findet häufig das CISG Anwendung, wenn die Lieferung im Vordergrund steht. In der Praxis wird regelmäßig eine ausdrückliche Rechtswahl getroffen und/oder auf Standardklauseln (zB FIDIC) verwiesen. IÜ gilt die objektive Anknüpfung an das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt (Art 19) des Unternehmers, der die Anlage zu erstellen hat (ausf Martiny BauR 08, 242, 246 f; Rauscher/Thorn Art 4 Rz 41 ff; Ferrari/Ferrari ROM I-VO Art 4 Rz 103). Ergänzend ist ggf zwingendes (auch ausländisches) Recht nach Art 9 zu beachten.
4. Anwaltsvertrag (Abs 1 lit b).
Rn 5
Der Anwaltsvertrag beurteilt sich grds nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Rechtsanwalts (s bereits oben Art 4 Rn 11 sowie Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl, § 1 Rz 218; MAHIntWirtR/Trittmann/Schmaltz § 3 Rz 144 ff; differenzierend Staud/Magnus Art 4 Rz 301 ff und Reithmann/Martiny/Knöfel Rz 10.18); s aber ggf IV bei internationalen Sozietäten und Fällen. Diese Anknüpfung gilt auch für >Third Party Legal Opinions’ (Reithmann/Martiny/Knöfel Rz 10.33; Rauscher/Thorn Art 4 Rz 39) und – konsequenterweise – ebenfalls für Abwehrklauseln gegen eine Anwaltshaftung in >Non Reliance Letters’.
5. Architekten- und Ingenieursverträge (Abs 1 lit b).
Rn 6
Sofern nicht Art 6 greift (dazu MüKoIPR/Martiny Art 4 Rz 59; Grüneberg/Thorn Art 4 Rz 10; NK-BGB, Bd. 6, Hüßtege/Mansel/Leible Art 4 Rz 141), ist das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts (Art 19) des Architekten bzw des Ingenieurs anwendbar. Die Anwendung der HOAI ist über Art 9 II denkbar (str, vgl MüKoIPR/Martiny Art 4 Rz 60).
6. Arztvertrag (Abs 1 lit b).
Rn 6a
S Art 4 Rn 11.
7. Auftrag und Geschäftsbesorgung (Abs 1 lit b).
Rn 7
Abs 1 lit b gilt auch für den Fall des Auftrags (zum Auftrag als Dienstleistungsvertrag iSd Art 5 EuGVO Berlioz Clunet 135 (08), 714 ff). Es gilt das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Beauftragten oder des Geschäftsbesorgers (vgl BGH DtZ 96, 51; Hamm IPRax 96, 33; NJW-RR 97, 1007 [OLG Hamm 29.01.1997 - 31 U 145/96]).
8. Auslobung (Abs 2).
Rn 8
Bei Auslobungen – einem einseitigen Leistungsversprechen, auf das die ROM I nach dem weiten unionsrechtlichen Vertragsbegriff anzuwenden ist (Art 1 Rn 6) – gilt das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort (Art 19) des Auslobenden (dazu Staud/Magnus Art 4 Rz 525 mwN).
9. Bankgeschäfte (Abs 1 lit b).
Rn 9
Bankgeschäfte unterfallen Abs 1 lit b (BGH RIW 12, 566, 568), sofern nicht ein Vertrag iRe multilateralen Systems nach lit h vorliegt. Bei objektiver Anknüpfung gilt das Recht des Staates, in dem die leistende Niederlassung der Bank liegt (Grüneberg/Thorn Art 4 Rz 13; NK-BGB, Bd. 6, Hüßtege/Mansel/Leible Art 4 Rz 131 f; so auch die frühere Rechtslage, BGH WM 04, 1177; Köln RIW 93, 1023; München RIW 96, 330; Ddorf RIW 96, 155; LG Aachen RIW 99, 304). Art 6 ist zu beachten. Das Diskontgeschäft unterliegt dem Recht der ankaufenden Bank, ebenso wie auch das Einlagengeschäft dem Recht der annehmenden Bank unterliegt. Für Factoring s Rn 21.
10. Bauträgervertrag (Abs 1 lit c).
Rn 10
Bauträgerverträge umfassen die Verschaffung des Eigentums am Grundstück. Es ist deshalb das Recht des Belegenheitsortes maßgeblich (Martiny BauR 08, 241, 246; Fetsch RNotZ 07, 456, 471).
11. Bauvertrag (Abs 1 lit b).
Rn 11
Bauverträge unterstehen dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Bauunternehmers (Köln NJW-RR 21, 1109 [OLG Köln 22.03.2021 - 16 U 165/20] m Anm Hemler IPRax 22, 485; so auch schon unter ex Art 28 EGBGB, vgl BGH NJW 99, 2442 [BGH 25.02.1999 - VII ZR 408/97]; Hamm NJW-RR 96, 1144 [OLG Hamm 23.11.1995 - 22 U 227/9...