Rn 7
Auch für Eheverträge gilt der aus der Privatautonomie (Art 2 GG) abgeleitete Grundsatz der Vertragsfreiheit. Bei familienrechtlichen Verträgen besteht deshalb keine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit (BGH 21.11.12 – XII ZR 48/11 = FamRZ 13, 269; Frankf 21.10.22 – 8 UF 170/20, juris). Der Grundsatz der Vertragsfreiheit wird jedoch durch den Grundsatz der nachehelichen Solidarität (§ 1353) eingeschränkt. Veranlasst durch die Rspr des BVerfG (FamRZ 01, 343; FamRZ 01, 985) hat der BGH Prüfkriterien zur Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle aufgestellt (BGH FamRZ 04, 531). Diese sind auch auf Scheidungsfolgenvereinbarungen (Jena FamRZ 07, 2079) und alte Eheverträge anwendbar, weshalb Anlass bestehen kann, auch diese auf ihre Wirksamkeit im Licht der Rspr zu überprüfen.
Rn 8
Nach dem BVerfG (aaO) ist es im Fall besonders einseitiger ehevertraglicher Lastenverteilung und einer erheblich ungleichgewichtigen Verhandlungsposition der Vertragspartner Aufgabe der Zivilgerichte, durch vertragliche Inhaltskontrolle und ggf Korrektur zu verhindern, dass sich für einen Vertragspartner die Selbstbestimmung in Fremdbestimmung verkehrt. Wird der Ehevertrag im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft geschlossen, gebietet es auch Art 6 GG, die Schwangere davor zu schützen, dass sie durch ihre Situation zu Vereinbarungen gedrängt wird, die ihren Interessen massiv zuwiderlaufen.
Rn 9
Danach darf der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen nicht beliebig unterlaufen werden. Die Grenze ist da zu ziehen, wo die vereinbarte Lastenverteilung evident einseitig erscheint und für den belasteten Ehegatten bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar ist (BGH FamRZ 04, 601; FamRZ 05, 691). Das ist umso mehr der Fall, als die vertragliche Regelung in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift, wobei ein Eingriff hierin nicht generell unzulässig ist (BGH FamRZ 06, 1359). Bei der vorzunehmenden Abstufung steht der Unterhalt wegen Kindesbetreuung an erster Stelle (BGH FamRZ 13, 269), gefolgt vom Unterhaltsanspruch wegen Krankheit/Gebrechen und wegen Alters, gleichrangig mit dem Versorgungsausgleich (Hamm FF 13, 315 [OLG Hamm 20.12.2012 - 11 UF 180/12]). Danach folgen der Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573), der Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt, der Aufstockungsunterhalt (§ 1573 II) und der Ausbildungsunterhalt (§ 1575). Da der Zugewinnausgleich nicht an konkrete Bedarfslagen anknüpft, ist hier am weitesten Raum für eine vertragliche Disposition gegeben (BGH FamRZ 13, 269; Karlsr FamRZ 21, 1526). In Fällen sog Funktionsäquivalenz von Versorgungs- und Zugewinnausgleich ist iRd Ausübungskontrolle ein Hinübergreifen auf das andere vermögensbezogene Ausgleichssystem zu prüfen (BGH FamRZ 18, 1188; Celle NZFam 21, 591). Angenommen werden kann dies bspw, wenn ein Ehegatte seine Altersversorgung als Selbstständiger durch Bildung eines dem (ausgeschlossenen) Zugewinnausgleich unterliegenden Vermögens betreibt (BGH aaO; Karlsr FamRZ 15, 500).