Prof. Dr. Michael Stürner
I. Form.
Rn 7
Die Widerrufserklärung bedarf keiner bestimmten Form (s aber § 356a I). Damit unterscheidet sich I von der früheren Rechtslage, wonach der Widerruf in Textform (§ 126b) zu erfolgen hatte. Aus Beweisgründen ist es jedoch weiterhin ratsam für den Verbraucher, in Textform zu widerrufen (vgl BTDrs 17/12637, 60), auch wenn § 361 III die Beweislast für einen rechtzeitigen Widerruf dem Unternehmer auferlegt (zur Frage, ob § 361 III mit der VRRL in Einklang steht, vgl § 361 Rn 9).
Rn 8
Für die Ausübung des Widerrufsrechts ist die kommentarlose Rücksendung der Ware nicht ausreichend (anders § 355 I 2 aF). Diese Änderung geht zurück auf Art 11 VRRL. Unternehmer und Verbraucher können aber vertraglich vereinbaren, dass die Rücksendung der Waren ausreichend ist für die Ausübung des Widerrufsrechts, denn die VRRL schließt vertragliche Vereinbarungen, die zugunsten des Verbrauchers von den gesetzlichen Regelungen abweichen, nicht aus (vgl Art 11 III VRRL, s.a. BTDrs, 17/12637, 60).
Rn 9
Das Wort ›Widerruf‹ braucht indessen nicht verwendet zu werden (st. Rspr, etwa BGH NJW 17, 2337 [BGH 12.01.2017 - I ZR 198/15] Rz 42 mN; NJW 19, 2842 [BGH 03.07.2019 - VIII ZR 194/16]); es muss aber hinreichend deutlich werden, dass der Verbraucher an dem Vertrag nicht mehr festhalten will (so auch ErwGr 44 VRRL). Daher kann der Widerruf auch konkludent erklärt werden (iE Stuttg NJW 18, 3394, 3395 [BGH 28.08.2018 - VI ZB 44/17]: Widerruf liegt vor, wenn ein Verbraucher ggü dem Unternehmer erklärt, dass er mit diesem keinen Vertrag abgeschlossen hat; in diesem Sinne nachdrücklich Hoffmann/Schneider NJW 15, 2529: richtlinienkonforme Auslegung von I 3; offen insoweit BGH aaO); allerdings muss aus Sicht des objektiven Erklärungsempfängers ausgeschlossen sein, dass die Rücksendung der Ware etwas anderes als den Widerruf bedeuten kann (etwa Nacherfüllungsverlangen oder Rücktritt).
II. Berechtigter.
Rn 10
Zum Widerruf berechtigt ist in erster Linie der Verbraucher als Vertragspartner, auch wenn er beim Vertragsschluss vertreten worden ist. Bei § 1357 (oder § 8 II LPartG) soll auch der Mithaftende widerrufen können. Gleiches soll sogar für den nach § 179 I haftenden vollmachtlosen Vertreter gelten, BGH NJW-RR 91, 1079 (zu § 355 aF); auch Grüneberg/Grüneberg Rz 2. Schließen mehrere Verbraucher als Darlehensnehmer mit einem Unternehmer als Darlehensgeber einen Verbraucherdarlehensvertrag, kann jeder von ihnen seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung selbstständig widerrufen (BGHZ 212, 207 Rz 15); sie sind dann Mitgläubiger (§ 432) im Rückgewährschuldverhältnis (BGH NJW 18, 223 Rz 27). Dies gilt auch für Ehegatten (BGH 9.10.18 – XI ZR 590/16 Rz 18 gegen Karlsr ZIP 16, 460, Rz 33 ff; ebenso Stuttg VuR 17, 317). Umstritten ist auch die Frage des nicht geregelten Teilwiderrufs (näher Kotowski VuR 16, 291). Bei Teilbarkeit der Leistung (etwa bei Sammelbestellungen) dürfte er zulässig sein, nicht jedoch bei einheitlichem Leistungsgegenstand (näher BeckOGK/Mörsdorf Rz 41f).
III. Frist.
Rn 11
Die Widerrufsfrist beträgt für alle Widerrufsrechte einheitlich 14 Tage (II 1). Sie beginnt grds mit Vertragsschluss (II 2). Ergänzt wird II 2 durch die in §§ 356 enthaltenen, gegenüber II 2 spezielleren Vorschriften (vgl dazu § 356 Rn 7 ff, § 356a Rn 1, § 356b Rn 5 f, § 356c Rn 7, § 356d Rn 2 sowie § 356e Rn 2). Die allg Vorschrift des II 2 gilt etwa für Verträge, die Dienstleistungen zum Gegenstand haben, da insoweit keine der genannten Sondervorschriften einschlägig ist. Anderes gilt aber dann, wenn ein solcher Vertrag auch die Lieferung beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, denn dann kann zB § 356 II Nr 1a) – die Widerrufsfrist beginnt mit Erhalt der Ware zu laufen – einschlägig sein (dazu näher § 356 Rn 14 ff). Zur Wahrung der og Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs (I 5). Zu Rechtsfolgen der Fristüberschreitung Rn 13.
Rn 12
Eine andere Frage ist es, innerhalb welcher Höchstfrist das Widerrufsrecht ausgeübt werden kann (vgl § 355 IV aF). § 355 trifft hierzu (im Vergleich zur aF) keine Regelung. Regelungen dazu sind jedoch in den gegenüber § 355 spezielleren §§ 356 ff enthalten (vgl dazu im Einzelnen § 356 Rn 18 ff, § 356a Rn 1, § 356b Rn 6, § 356c Rn 8, § 356d Rn 3 sowie § 356e Rn 3).