Dr. Axel Deutscher, Dr. iur. Thorsten Junker
Rdn 3111
Literaturhinweise:
S. die Hinweise bei → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Rdn 2932 und → Rechtsmittel, Allgemeines, Rdn 3221.
Rdn 3112
1. Im Rechtsbeschwerdeverfahren gilt – anders als im Einspruchsverfahren (→ Einspruch, Allgemeines, Rdn 909) – das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO, der über § 79 Abs. 3 entsprechend anwendbar ist (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1999, 500; OLG Hamm VRS 46, 194; 52, 131; allgemein zum Verschlechterungsverbot Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 290 ff. [Berufung]). D.h., dass auf eine durch den Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde hin die angefochtene amtsrichterliche Entscheidung hinsichtlich der Rechtsfolgen nicht zum Nachteil des Betroffenen geändert werden darf. Dasselbe gilt, wenn die StA zugunsten des Betroffenen Rechtsbeschwerde eingelegt hat.
☆ In Fällen, in denen die StA zuungunsten des Betroffenen Rechtsbeschwerde eingelegt hat, kann die Entscheidung des AG allerdings zum Nachteil des Betroffenen geändert werden.zuungunsten des Betroffenen Rechtsbeschwerde eingelegt hat, kann die Entscheidung des AG allerdings zum Nachteil des Betroffenen geändert werden.
Rdn 3113
2. Das Verschlechterungsverbot bezieht sich jedoch nur auf den Rechtsfolgenausspruch, also die verhängte Geldbuße oder verhängte Nebenfolge (z.B. Fahrverbot). Die "Verböserung" des Schuldspruchs ist möglich (OLG Celle NJW 1990, 589; OLG Düsseldorf VRS 80, 52). Das Verschlechterungsverbot hindert das neue Tatgericht im neuen Rechtsgang deshalb z.B. nicht an einer Verurteilung wegen Vorsatz statt Fahrlässigkeit (KG, Beschl. v. 30.1.2023 – 3 ORbs 5/23 – 122 Ss 138/22). Demnach gilt: Die Anordnung eines bisher nicht verhängten Fahrverbots stellt eine Verschlechterung des bloßen Bußgeldausspruchs dar (OLG Karlsruhe VRS 86, 137) und ist deshalb unzulässig. Dies gilt selbst dann, wenn die Anordnung eines bisher nicht verhängten Fahrverbots mit einer nachhaltigen Herabsetzung der Geldbuße einhergeht, weil die Verhängung eines Fahrverbots gegenüber der Geldbuße die härtere Sanktion darstellt (OLG Hamm NZV 2007, 635 f.; Beschl. v. 12.8.2004 – 4 Ss OWi 418/04; OLG Karlsruhe NZV 1993, 450). Umgekehrt darf allerdings ohne Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot die Geldbuße grds. erhöht werden, wenn gleichzeitig von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen wird (OLG Hamm NZV 2007, 635 f.).
Rdn 3114
Die Eintragung von Punkten im FAER wird, weil es sich hierbei nicht um eine Sanktion des OWiG handelt, nicht vom Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO erfasst. Zulässig ist deshalb z.B. die Änderung des Schuldspruchs von Tateinheit in Tatmehrheit, selbst wenn dadurch die Punktebewertung für den Betroffenen ungünstiger ausfällt (OLG Hamm VRS 52, 131).
Rdn 3115
3. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO ist sowohl vom OLG als auch im Fall einer Zurückverweisung vom AG zu beachten (vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, § 358 Rn 11).
Siehe auch: → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Rdn 2932; → Rechtsbeschwerde, Entscheidung, Rdn 2992.