Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Interessenabwägung. Tatsachenermittlung. Schwerbehindertenrecht. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Werkstatt für behinderte Menschen. Werkstattfähigkeit. Leistungen im Berufsbildungsbereich. Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung. Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Prüfungsmaßstab. Erfolgsaussichten in der Hauptsache
Leitsatz (amtlich)
1. Prüfungsmaßstab in den Fällen des § 86a Abs 2 Nr 2 SGG ist eine vom Gericht anzustellende Interessenabwägung, die sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert (ebenso LSG Darmstadt vom 29.12.2008 - L 7 SO 62/08 B ER = juris RdNr 10; aA LSG Stuttgart vom 20.10.2010 - L 13 AL 3445/03 ER B = juris RdNr 5 und LSG Berlin-Potsdam vom 18.10.2010 - L 27 P 48/10 B ER = juris RdNr 2).
2. Ein Eilverfahren ist in der Regel nicht der geeignete Ort zur Durchführung umfangreicher tatsächlicher Ermittlungen, da andernfalls keine schnelle Entscheidung möglich wäre.
Orientierungssatz
Zum Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (insbesondere zur Zuerkennung der Werkstattfähigkeit) im Eilverfahren.
Normenkette
SGB IX § 40 Abs. 1 Nr. 2, § 136 Abs. 2 S. 1; SGG § 86a Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 2, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 7. März 2014 wird zurückgewiesen.
II Die Antragsgegnerin hat auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten der Sache nach über die einstweilige weitere Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für den Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen.
Der am … 1993 geborene Antragsteller und Beschwerdegegner leidet an einer frühkindlichen Hirnschädigung mit Hydrozephalus und infantiler Zerebralparese. Ihm wurden ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, aG und H zuerkannt. Er bezieht Leistungen nach der Pflegestufe III.
Mit Bescheid vom 10. September 2013 bewilligte die Beschwerdeführerin (Agentur für Arbeit L…) dem Beschwerdegegner Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Zeit vom 2. September 2013 bis 1. Dezember 2015.
Im Vorfeld dieser Bewilligung war von Diplom-Psychologin S… unter dem 18. April 2013 ein Gutachten nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdegegners am 15. April 2013 für die Agentur für Arbeit R… erstellt worden. Darin hatte die Gutachterin mitgeteilt:
"Neben den körperlichen sind insgesamt auch deutliche geistige Einschränkungen bei ≪dem Beschwerdegegner≫ vorhanden. Die vorhandenen intellektuellen Kompetenzen sowie die gefestigte Motivation zum Ausführen zielgerichteter Tätigkeiten, die Offenheit für sein Umfeld und daran geknüpfte Wissensinhalte und die sozialen Kompetenzen weisen aus psychologischer Sicht jedoch daraufhin, dass ≪der Beschwerdegegner≫ nach entsprechend längerfristigem Training durchaus in der Lage wäre, unter geschützten Rahmenbedingungen einfache wirtschaftlich verwertbare Arbeit zu leisten. Von Gemeinschaftsfähigkeit ist auszugehen.
Auf Grund der körperlichen Behinderungen wird allerdings nach Angaben der Eltern von Seiten der Werkstatt für Behinderte, in der ≪der Beschwerdegegner≫ zuletzt sein Praktikum absolvierte, eine Betreuungsperson für die Unterstützung bei Toilettengängen oder der Nahrungsaufnahme für notwendig erachtet und als Bedingung für die Aufnahme gesehen."
Der Beschwerdegegner nahm die ihm bewilligten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zunächst in Anspruch.
Im Protokoll des Fachausschusses der DRK Werkstätten M… vom 28. November 2013 heißt es:
"Ist sehr motiviert und kommt regelmäßig, hat aber einen hohen Betreuungs- und Pflegeaufwand. Er kann einfache Arbeiten erledigen, aber es muss immer jemand eine Vorbereitung dazu machen. Eine Assistenz ist nötig für 4 Stunden täglich."
Im ebenfalls am 28. November 2013 erstellten Protokoll der Sitzung des Fachausschusses - Eingangsverfahren - der DRK Werkstätten M… findet sich zum Abschluss des Eingangsverfahrens die Einschätzung, die Werkstatt sei für den Beschwerdegegner nicht die geeignete Einrichtung zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Daraufhin teilte die Beschwerdeführerin (Agentur für Arbeit M…) dem Beschwerdegegner durch Bescheid vom 29. November 2013 mit, es sei davon auszugehen, dass keine ausreichende Leistungsfähigkeit für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden könne. Daher werde das Verfahren zur Teilhabe am Arbeitsleben am 2. Dezember 2013 beendet.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2013 hob die Beschwerdeführerin (Agentur für Arbeit L…) die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben unter Hinweis auf §§ 112 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit §§ 33 und 44 ff. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit Wirkung vom 2. Dezember 2013 gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Die Maßnahme sei am 1. Dezember 2013 beendet w...