Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich einer versäumten Verfahrensfrist - Anforderungen an eine rechtswirksame Einlegung der Berufung per E-Mail
Orientierungssatz
1. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich einer versäumten Frist setzt nach § 67 Abs. 1 SGG fehlendes Verschulden des Betroffenen voraus.
2. Kann dieser gesundheitliche Gründe für eine nicht rechtzeitige Einlegung der Berufung nach § 151 SGG nachweisen, so ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen.
3. Die Einlegung einer Berufung mit einfacher E-Mail genügt regelmäßig nicht dem Formerfordernis. Insoweit ist eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich. Im Übrigen ist eine an das Verwaltungspostfach eines Gerichts gerichtete E-Mail nicht zur Gerichtsakte zu nehmen und damit nicht geeignet, Fristen zu wahren.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 11. Dezember 2019 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die endgültige Entscheidung über Grundsicherungsleistungen und eine darauf beruhende Erstattungsentscheidung des Beklagten für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis 30. April 2017.
Die Klägerin zu 1) ist seit 1999 selbständig tätig und betreibt einen Online-Handel mit Kosmetik- und Textilwaren und bezieht zusammen mit ihrer 2004 geborenen Tochter, der Klägerin zu 2), aufstockend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).
Die Klägerin zu 1) nahm im Dezember 2015 eine Darlehenssumme i.H.v. 21.000 EUR auf, welches ihr am 9. Dezember 2015 auf das eigene Konto überwiesen wurde. Der Darlehensvertrag wurde mit der Klägerin zu 1) als Privatperson geschlossen und enthält keinen unmittelbaren schriftlichen Bezug zur ihrer selbständigen Tätigkeit. Das Darlehen wird seit Februar 2016 von der Klägerin zu 1) mit monatlichen Raten i.H.v. 355,00 EUR getilgt. Vom selben Konto wurden seitdem u.a. Beträge mit dem Betreff „F“, „Steuerberater“, „j AG“, „u AG“ sowie „Finanzamt“ wiederholt in nicht unerheblicher Höhe abgebucht.
Die Klägerinnen zogen im ersten Quartal 2016 in eine neue Wohnung.
Am 31. Mai 2016 beantragte die Klägerin zu 1) für sich und ihre Tochter aufstockend Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 25. August 2016 gewährte der Beklagte endgültig Leistungen für die Monate Mai bis Oktober 2016 von jeweils 1.487,48 EUR.
Mit dem Weiterbewilligungsantrag vom 19. September 2016 reichte die Klägerin zu 1) eine vorläufige Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit (EKS) für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis zum 30. April 2017 sowie weitere betriebsbezogene Unterlagen ein. Dabei gab sie an, Belastungen für die Tilgung eines betrieblichen Darlehens i.H.v. 2.130,00 EUR gehabt zu haben.
Mit Bescheid vom 29. Dezember 2016 gewährte der Beklagte vorläufig Leistungen für die Monate November und Dezember 2016 i.H.v. jeweils 364,28 Euro und für die Monate Januar bis April 2017 i.H.v. jeweils 388,88 Euro. Dabei wich der Beklagte von den klägerischen Angaben zu den betrieblichen Ausgaben ab. Mit Änderungsbescheid vom 23. Februar 2017 setzte der Beklagte den vorläufigen Leistungsanspruch der Klägerinnen neu fest; für die Monate November und Dezember 2016 i.H.v. jeweils 1.010,60 EUR und für die Monate Januar bis April 2017 i.H.v. jeweils 1.035,20 EUR. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. Dezember 2016 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2017 im Übrigen zurück.
Am 31. Juli 2017 reichten die Klägerinnen eine abschließende EKS für die Monate November 2016 bis April 2017 ein. Nach Anhörung der Klägerinnen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 2017 Grundsicherungsleistungen für die Monate November 2016 bis April 2017 mangels Hilfebedürftigkeit endgültig ab und forderte mit Bescheid vom gleichen Tag eine Erstattung i.H.v. insgesamt 6.162,00 Euro.
Auf den Widerspruch der Klägerinnen vom 30. Oktober 2018 änderte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 9. November 2017 den angefochtenen Bescheid vom 23. Oktober 2017 ab.
Bereits am 11. Dezember 2017 erhoben die Klägerinnen dagegen Klage bei dem Sozialgericht Lübeck. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2017 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Oktober 2017 zurück.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17. Dezember 2019 hat das Sozialgericht der Klage teilweise stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen, Bl. 61 ff der Gerichtsakte.
Gegen die der Klägerin zu 1) am 12. Februar 2020 zugestellte Entscheidung richtet sich der am 16. März 2020 bei dem Sozialgericht Lübeck eingegangene Schriftsatz vom 11. März 2020, mit dem die Klägerin zu 1) in den Verfahren S 42 AS 578/18 und S 42 AS 1178/17 Berufung beantragen will u...