Ein Kind nicht miteinander verheirateter Eltern (im Gesetz früher als "nichteheliches Kind" bezeichnet) ist erst seit Inkrafttreten des Nichtehelichengesetzes am 1.7.1970 Abkömmling seines Vaters im Rechtssinne. In Erbfällen nach diesem Termin war es zwar gesetzlicher Erbe erster Ordnung nach seinem Vater, wurde aber neben miterbenden ehelichen Kindern und dem Ehegatten auf einen Erbersatzanspruch in Höhe des Werts des gesetzlichen Erbteils verwiesen. Die volle erbrechtliche Gleichstellung mit ehelichen Abkömmlingen erfolgte erst durch das Erbrechtsgleichstellungsgesetz 1997, das für Erbfälle seit dem 1.4.1998 die bisher geltenden Sonderregelungen beseitigte.
Bei der gesetzlichen Erbfolge wird das nichteheliche Kind dabei grundsätzlich (Mit-)Erbe. Der Erblasser kann aber durch Verfügung von Todes wegen das nichteheliche Kind aus der Miterbengemeinschaft ausschließen. In diesem Falle steht dem enterbten nichtehelichen Kind auf der Grundlage des § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB sein Pflichtteil zu.
Als zum 1.7.1970 der Erbersatzanspruch nichtehelicher Kinder eingeführt wurde, nahm man Kinder aus, die vor dem 1.7.1949 geboren waren, nach damaligem Recht also schon volljährig waren. Hierzu bestimmte Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG, dass es bei der Anwendung des früheren Rechts bleibt. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese zweifelhafte Grenzziehung als verfassungsgemäß bestätigt.
Auch das am 1.4.1998 in Kraft getretene Erbrechtsgleichstellungsgesetz änderte an dieser Situation nichts. Bei Erbfällen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes hatten vor dem 1.7.1949 geborene nichteheliche Kinder kein gesetzliches Erbrecht nach ihrem Vater. Durch eine Vereinbarung zwischen Vater und Kind konnte jedoch gem. Art. 12 § 10a NEhelG (inzwischen außer Kraft gesetzt) diese Übergangsregelung abgedungen werden. Eine solche Gleichstellungsvereinbarung konnte nur von dem Vater und dem Kind persönlich und in notariell beurkundeter Form geschlossen werden und bedurfte der Zustimmung der jeweils vorhandenen Ehegatten.
In einem Urteil aus dem Jahr 2009 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen Verstoß des Art. 12 § 10a NEhelG (a. F.) gegen Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) i. V. m. Art. 8 EMRK fest. Daraufhin wurde der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2011 aktiv: am 15.4.2011 wurde im Bundesgesetzblatt das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung verkündet, welches rückwirkend zum 29.5.2009 in Kraft trat. Dieses gewährt vor dem 1.7.1949 geborenen, nichtehelichen Kindern für sog. "Altfälle", also Fälle, in denen der Erblasser vor dem 29.5.2009 verstarb, zwar weiterhin kein gesetzliches Erbrecht, normiert jedoch im neuen Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG einen Wertersatzanspruch in Höhe des Wertes der ihnen entgangenen erbrechtlichen Ansprüche für den Fall, dass der Bund oder das Land gemäß § 1936 BGB Erbe geworden ist. Für Erbfälle seit dem 29.5.2009 wurde die umstrittene Stichtagsregelung aufgehoben. Damit sind auch nichteheliche Kinder, die vor dem 1.7.1949 geboren wurden, den ehelichen Kindern gleichgestellt, vorausgesetzt, der Erbfall ereignete sich nicht vor dem 29.5.2009. In der anwaltlichen Praxis gilt es zu beachten, dass zwischen dem 25.9.2009 und dem 15.4.2011 ereilte und nun durch die Neuregelung unrichtig gewordene Erbscheine nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag eingezogen oder für kraftlos erklärt werden.
Der EGMR hat sich in zwei weiteren Entscheidungen 2017
mit der Regelung des § 12 Abs. 10 NEhelG befasst. So verstoße diese Norm dann gegen Art. 14 i. V. m. Art. 8 EMRK, wenn dadurch das vor dem 01.07.1949 geborene, der Familie des Vaters bekannte einzige nichteheliche Kind des Vaters von der Erbfolge ausgeschlossen wird.
Das Gericht betonte, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handle, die gesamte Stichtagsregelung damit nicht automatisch hinfällig wird. Vielmehr ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren. Zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit sei die Frage eines fairen Ausgleichs zu prüfen. Dazu komme es auf drei Punkte an:
Kenntnislage der beteiligten Personen, den "Status" der involvierten ERbrechte sowie die zeitliche Geltendmachung der Ansprüche des nichtehelichen Kindes.
Auf die Entscheidungen des EGMR hin hat der BGH diese Grundsätze angewendet und Art. 5 S. 2 ZwErbGleichG teleologisch erweitert. Wenn eine Versagung des Erbrechts ein Verstoß gegen die Regelung der EMRK darstelle, so sei eine Erweiterung auf vor dem 29.05.2009 liegenden Erbfälle zulässig und geboten.