Prof. Dr. Stephan Wolf, Andrea Dorjee-Good
Rz. 21
Auch in Bezug auf das Erbstatut knüpft das IPRG in erster Linie am letzten Wohnsitz des Erblassers an.
Rz. 22
Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz in der Schweiz untersteht grundsätzlich dem Schweizer Erbrecht (Art. 90 Abs. 1 IPRG). Es gilt der Grundsatz der Nachlasseinheit. Ein in der Schweiz wohnhafter Ausländer kann jedoch eine Rechtswahl (sog. professio iuris) treffen und den Nachlass einem seiner Heimatrechte unterstellen (Art. 90 Abs. 2 IPRG). Anders als unter der EuErbVO steht diese Rechtswahlmöglichkeit jedoch nur Ausländern offen, nicht aber Schweizer Staatsangehörigen. Im Rahmen der laufenden IPRG-Revision ist geplant, die Rechtswahlmöglichkeit auf Schweizer Staatsangehörige auszudehnen, so dass auch Schweizer Doppelbürger ihr ausländisches Heimatrecht wählen können. Neben der Verfügungsfähigkeit des Erblassers ist Voraussetzung für eine Rechtswahl, dass diese sich mit genügender Deutlichkeit aus einer formgültigen Verfügung von Todes wegen ergibt. Die Wahl des Heimatrechts hat sich infolge des Grundsatzes der Nachlasseinheit auf den gesamten Nachlass zu beziehen (Verbot der Teilrechtswahl). Eine Ausnahme besteht für im Ausland wohnhafte Schweizer, die im Sinne einer Teilrechtswahl auch bloß den in der Schweiz belegenen Nachlass dem Schweizer Erbrecht unterstellen können (Art. 87 Abs. 2 IPRG). Die Rechtswahl bezieht sich im Zweifelsfall auf das materielle Erbrecht und nicht auf das IPR. Eine Rechtswahl fällt dahin, wenn die fragliche Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt des Todes nicht mehr besteht (Art. 90 Abs. 2 Satz 2 IPRG). Diese Einschränkung soll im Rahmen der geplanten IPRG-Revision ebenfalls wegfallen, sodass eine wirksam getroffene Rechtswahl wirksam bleibt, auch wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes nicht mehr im Besitz der Staatsangehörigkeit des gewählten Rechts ist oder aber zwischenzeitlich die schweizerische Staatsangehörigkeit erworben hat. Aufgrund der heute noch bestehenden Unterschiede kann es im Moment dazu kommen, dass eine Rechtswahl gemäß EuErbVO wirksam ist, in der Schweiz jedoch als unwirksam erachtet wird. Keinen Einfluss hat eine professio iuris auf das Eröffnungsstatut; diesbezüglich sieht das Gesetz keine Rechtswahlmöglichkeit vor, sondern lässt immer die lex fori zur Anwendung kommen. Eine Rechtswahl ist für den Erblasser namentlich dann interessant, wenn ihm das Heimatrecht eine größere Verfügungsfreiheit einräumt als das Wohnsitzrecht. Im Lichte der EuErbVO dürfte eine professio iuris zudem auch aus Überlegungen der Rechtssicherheit häufig sinnvoll sein. Eine Rechtswahl kann unter Schweizer Kollisionsrecht zu einem Auseinanderfallen sowohl der Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts als auch des Erb- und Güterrechts führen. Um den Gleichlauf von ius und forum sicherzustellen, sollte der Erblasser daher neben der Rechtswahl auch eine Wahl zugunsten der ausländischen Zuständigkeit in Erwägung ziehen (Art. 87 Abs. 2 IPRG per analogiam). Außerdem sollte ebenfalls eine Rechtswahl in Bezug auf das anwendbare Ehegüterrecht geprüft werden.
Rz. 23
Der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz im Ausland untersteht grundsätzlich dem Recht, auf welches das Kollisionsrecht des Wohnsitzstaates verweist (Art. 91 Abs. 1 IPRG); vorbehalten bleibt die Wahl eines im Ausland wohnhaften Schweizers zugunsten des Schweizer Heimatrechts. Eine Rechtswahl zugunsten des Schweizer Heimatrechts wird in der Schweiz anerkannt und wirkt gleichzeitig zuständigkeitsbegründend (Art. 87 Abs. 2 i.V.m. Art. 91 Abs. 2 IPRG).