Prof. Dr. Stephan Wolf, Bettina Spichiger
1. Allgemeines
Rz. 31
Mit der Eheschließung entsteht die Pflicht der Ehegatten, gemeinsam für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Die Pflicht dauert bis zur Auflösung der Ehe durch Tod oder durch ein rechtskräftiges Scheidungsurteil und ist in Art. 163 f. ZGB verankert. Die angemessene Entschädigung für die Mitarbeit eines Ehegatten im Beruf oder Gewerbe des anderen (Art. 165 ZGB) geht über den Rahmen der eigentlichen Unterhaltspflicht hinaus. Die Unterhaltspflicht zwischen geschiedenen Ehegatten (sog. nachehelicher Unterhalt) richtet sich nach Art. 125 ff. ZGB.
Rz. 32
Können sich die Ehegatten während des Zusammenlebens nicht über ihren an den Familienunterhalt zu leistenden Anteil einigen, setzt das Eheschutzgericht auf Begehren eines Ehegatten die nach Art. 163 f. ZGB geschuldeten Geldbeiträge fest (Art. 173 ZGB). Praktisch relevanter ist freilich deren richterliche Festsetzung im Falle der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts (Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). In beiden Fällen können Geldbeiträge für die Zukunft und rückwirkend für das Jahr vor Einreichung des Begehrens zugesprochen werden. Angesichts des unterschiedlichen rechtlichen Schicksals der Ehegatten- und Kinderrenten ist darauf zu achten, dass die Unterhaltsbeiträge einzeln ausgeschieden werden.
2. Unterhalt während des Zusammenlebens
Rz. 33
Art. 163 ZGB verpflichtet die Ehegatten, gemeinsam für den gebührenden Unterhalt der Familie zu sorgen. In persönlicher Hinsicht erfasst der Unterhalt neben den Ehegatten die gemeinsamen und nicht gemeinsamen Kinder sowie im Haushalt lebende Personen, denen gegenüber einer der Ehegatten zur Unterstützung verpflichtet ist. In sachlicher Hinsicht ist der gesamte Lebensbedarf der Familie zu decken. Dessen Umfang wird maßgeblich durch die Leistungsfähigkeit und die Lebensumstände der Ehegatten bestimmt. Der Unterhaltsbeitrag kann gemäß der nicht abschließenden Aufzählung in Art. 163 Abs. 2 ZGB durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushalts, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des anderen Ehegatten erbracht werden. Der (überwiegend) innerhäuslich tätige Ehegatte hat Anspruch auf Ausrichtung eines angemessenen Betrages zur freien Verfügung (Art. 164 ZGB).
3. Unterhalt bei Aufhebung des gemeinsamen Haushalts
Rz. 34
Die vorhandenen Geldmittel müssen mit der räumlichen Trennung der Ehegatten auf zwei Haushaltungen verteilt werden. Dabei ist von der bisher gelebten Aufgabenteilung und den bestehenden Vereinbarungen der Ehegatten über die Unterhaltsbeiträge auszugehen, um eine Vorwegnahme der Scheidung mit einer grundlegenden Neuordnung der Verhältnisse so weit als möglich zu vermeiden. Mit der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts sind stets finanzielle Mehrbelastungen verbunden. Der Lebensbedarf der Familienmitglieder wird in der Praxis regelmäßig unter Zuhilfenahme der Richtlinien der oberen kantonalen Aufsichtsbehörden über die Betreibungsämter für die Berechnung des Existenzminimums in der Einkommenspfändung festgesetzt. Zusätzlich zu den in den Richtlinien vorgesehenen Pauschalen für die Grundbedürfnisse können individuelle Aufwendungen (z.B. Wohnung, Kosten für die Benutzung des öffentlichen Verkehrs) in die Bedarfsrechnung eingesetzt werden. Der so errechnete Bedarf beider Haushalte wird dem Gesamteinkommen der Ehegatten (Nettolohn inkl. 13. Monatslohn, Vermögenserträge) gegenübergestellt. Lassen sich die Kosten zweier Haushalte unter Beibehaltung der bisherigen Lebenshaltung mit dem Erwerbseinkommen der Ehegatten bestreiten, bleibt es bei der jetzigen Aufgabenteilung. Ein allfälliger Restbetrag ist vorbehaltlich eines bereits bisher vermögensbildenden Anteils zwischen den Ehegatten hälftig zu teilen. Reicht das bisherige Einkommen demgegenüber für die Führung zweier Haushalte bei gleicher Lebenshaltung nicht aus, sind allen Familienmitgliedern Einschränkungen bei der bisherigen Lebenshaltung und ggf. das Anzehren des Vermögens zumutbar. Bleibt das Existenzminimum aller Familienmitglieder dennoch ungedeckt, muss das in guten Treuen erzielbare Einkommen rechnerisch einbezogen werden. Dabei ist zu beachten, dass die Aufnahme oder Erweiterung der Erwerbstätigkeit du...