Alex Schindler, Gian Andri Töndury
1. Rechte und Pflichten des Geschäftsführers
Rz. 139
Die Geschäftsführer sowie Dritte, die mit der Geschäftsführung befasst sind, müssen ihre Aufgaben stets mit aller Sorgfalt erfüllen und die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen wahren (Art. 812 Abs. 2 OR), sie unterstehen der gleichen Treuepflicht wie die Gesellschafter.
Geschäftsführer sowie Dritte, die mit der Geschäftsführung befasst sind, dürfen keine konkurrenzierenden Tätigkeiten ausüben, es sei denn, die Statuten sehen etwas anderes vor oder alle übrigen Gesellschafter stimmen der Tätigkeit schriftlich zu. Die Statuten können vorsehen, dass stattdessen die Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung erforderlich ist.
Die Geschäftsführer sowie Dritte, die mit der Geschäftsführung befasst sind, haben die Gesellschafter unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln (Art. 813 OR).
Rz. 140
Die Geschäftsführer sind zuständig in allen Angelegenheiten, die nicht nach Gesetz oder Statuten der Gesellschafterversammlung zugewiesen sind. Die Geschäftsführer haben folgende unübertragbare und unentziehbare Aufgaben (Art. 810 OR):
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die Oberleitung der Gesellschaft und die Erteilung der nötigen Weisungen; |
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die Festlegung der Organisation im Rahmen von Gesetz und Statuten; |
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die Ausgestaltung des Rechnungswesens und der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung, sofern diese für die Führung der Gesellschaft notwendig ist; |
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die Aufsicht über die Personen, denen Teile der Geschäftsführung übertragen sind, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen; |
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die Erstellung des Geschäftsberichtes; |
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die Vorbereitung der Gesellschafterversammlung sowie die Ausführung ihrer Beschlüsse; |
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aufgrund der Revision des Obligationenrechts von 2016 zusätzlich: die Einreichung eines Gesuchs um Nachlassstundung und die Benachrichtigung des Gerichts im Falle der Überschuldung (Inkrafttreten voraussichtlich im Jahr 2022); |
Wer den Vorsitz der Geschäftsführung innehat bzw. der einzige Geschäftsführer hat folgende Aufgaben:
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die Einberufung und Leitung der Gesellschafterversammlung; |
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Bekanntmachungen gegenüber den Gesellschaftern; |
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die Sicherstellung der erforderlichen Anmeldungen beim Handelsregister. |
2. Beschlussfassung der Geschäftsführung
Rz. 141
Hat die Gesellschaft mehrere Geschäftsführer, so entscheiden diese mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Der Vorsitzende hat den Stichentscheid. Die Statuten können eine andere Regelung der Beschlussfassung durch die Geschäftsführer vorsehen (Art. 809 Abs. 4 OR). Berechnet werden die Stimmen nicht nach Stammkapital, sondern nach Köpfen.
Ferner können die Statuten vorsehen, dass bestimmte – näher zu umschreibende – Entscheide der Geschäftsführer der Genehmigung durch die Gesellschafterversammlung bedürfen (Art. 811 Abs. 1 Ziff. 1 OR). Die Geschäftsführer sollen aber auch von sich aus der Gesellschafterversammlung einzelne Fragen unterbreiten dürfen, falls die Statuten dies vorsehen (Art. 811 Abs. 1 Ziff. 2 OR).
3. Haftung des Geschäftsführers
Rz. 142
Die Geschäftsführer können gem. Art. 827 OR i.V.m. Art. 753 ff. OR sowohl der Gesellschaft als auch den Gesellschaftern und den Gesellschaftsgläubigern gegenüber zur Verantwortung gezogen werden. Als mögliche Haftpflichtige unter dieser Norm werden alle Personen aufgezählt, die an der Gründung mitwirken (siehe Rdn 57) oder sich mit der Geschäftsführung, Revision oder Liquidation befassen. Als haftender Geschäftsführer kommen alle Geschäftsführer in Betracht, die formell im Handelsregister als solche eingetragen sind, unabhängig davon, ob und welche Aufgaben sie tatsächlich erfüllen (formelle Organe). Über diese rein formalistische Definition des Geschäftsführers hinaus, kann die Haftung aber auch alle Personen treffen, die zwar nicht formell als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen sind, aber tatsächlich Entscheide treffen, welche vom Gesetz den formellen Organen zugewiesen werden (materielle Organe). Dabei handelt es sich vor allem um Personen, die die Geschäftsführung besorgen und die Willensbildung der Gesellschaft maßgeblich beeinflussen, z.B. auch Personen, die zwar formell eine untergeordnete Rolle spielen, in der Praxis jedoch auf die Unternehmensführung einwirken.
Rz. 143
Ein Geschäftsführer wird unter folgenden kumulativen Voraussetzungen ersatzpflichtig: (1) die Gesellschaft, ein Gesellschafter oder ein Gläubiger müssen eine finanzielle Einbuße, d.h. einen Schaden erleiden; (2) der Geschäftsführer hat seine Pflichten verletzt; (3) diese Pflichtverletzung hat er zu verschulden, da er sie absichtlich oder fahrlässig begangen hat, und (4) zwischen dem Schaden und der Pflichtverletzung besteht ein Kausalzusammenhang, d.h. die schuldhafte Pflichtverletzung war zumindest eine der Ursachen des Schadens.
Rz. 144
Sind für einen Schaden mehrere Geschäftsführer verantwortlich, so haften diese solidarisch. Jeder Geschäftsführer haftet gegenüber dem Geschädigten für den gesamten Schaden, soweit er ihn kausal (mit)verschuldet hat und sich nicht auf sein geringes Verschulden berufen kann. Ein solchermaßen in Anspruch genommener Geschäftsführer hat dann...