Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Angemessenheit der Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept. fehlende Aktualisierung. Unzulässigkeit der Fortschreibung mittels Preisindex
Leitsatz (amtlich)
Schlüssiges Konzept verneint bei Fortschreibung des früheren Konzepts mittels eines landesweiten Preisindex.
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Abänderung seiner Bescheide vom 18. Mai 2015 und vom 24. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juli 2015 und des Bescheids vom 4. September 2015 verpflichtet, der Klägerin vom 1. Juli bis zum 30. November 2015 die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung von monatlich 445,40 EUR vorläufig zu bewilligen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf höhere vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1. Juni bis zum 30. November 2015 hat, indem die tatsächlichen Kosten der Unterkunft anzusetzen sind.
Die 1969 geborene Klägerin bezieht seit Längerem laufende Leistungen zum Lebensunterhalt vom Beklagten. Sie bewohnt eine 2-Zimmer-Wohnung mit knapp 45 qm und zahlt dafür monatlich 325 EUR Grundmiete, 55,40 EUR Betriebskosten und 65 EUR Heizkosten. Im Juni 2012 erklärte sie, nicht zur Senkung ihrer Unterkunftskosten auf damals maximal 335,40 EUR bereit zu sein. Die Klägerin arbeitet zudem Teilzeit für 9,55 EUR Stundenlohn.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 15. April 2015 hin bewilligte das beklagte Jobcenter der Klägerin mit Bescheid vom 18. Mai 2015 vorläufig Leistungen für die Monate Juni bis November 2015 in Höhe von jeweils 391,05 EUR. An Kosten der Unterkunft und Heizung wurden dabei insgesamt 412,05 EUR angesetzt.
Im Widerspruch wurde geltend gemacht, das Konzept des Beklagten sei nicht schlüssig und deshalb seien zu geringe Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden. Zudem sei ein zu hohes vorläufiges Einkommen angenommen worden.
Mit Änderungsbescheid vom 24. Juli 2015 bewilligte der Beklagte nun vorläufige monatliche Leistungen von 458,29 EUR für Juni bis August 2015 und von 467,46 EUR ab September 2015. Dabei wurde nun ab September eine höhere Bruttokaltmiete berücksichtigt.
Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2015 zurückgewiesen. Ab 1. September 2015 sei das schlüssige Konzept des Beklagten fortgeschrieben worden und dementsprechend seien die Kosten der Unterkunft angepasst worden.
Dagegen hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 31. Juli 2015 Klage zum Sozialgericht Augsburg erheben lassen. Ein schlüssiges Konzept des Beklagten liege nicht vor. Die Erhöhung ab September sei unzureichend, da die Mietsteigerungen deutlich höher ausfielen. Der örtliche Wohnungsmarkt sei nicht ausreichend abgebildet, weil kaum Daten aus einer tatsächlichen Mieterbefragung verwendet worden seien. Bei den kalten Betriebskosten sei nicht klar, ob tatsächlich die letzten Abrechnungen eingeflossen seien. Eine fortwährende Aktualisierung sei erforderlich und mit dem zur Verfügung stehenden Tool auch einfach machbar. Zudem stünden aktuell der Klägerin keine Wohnalternativen zur Verfügung. Die Anwendung von über den Freistaat Bayern erhobenen Daten sei nicht realitäts- und zeitgerecht. Es sei nicht klar, weshalb nicht gegebenenfalls vorhandene Daten zu A-Stadt herangezogen worden seien. A-Stadt habe in den vergangenen Jahren deutlich höhere Mietpreissteigerungen aufzuweisen als der Durchschnitt in Bayern. Ferner verfolge der Mietspiegel nach dem Zivilrecht eine andere Zielrichtung. Eine sachgerechte Anpassung im Grundsicherungsrecht sei nicht mittels eines bayerischen Index ohne Bezug zu den örtlichen Gegebenheiten möglich. So gewährten an A-Stadt angrenzende Träger auch teils wesentlich höhere Bruttokaltmieten. Bereits das ursprüngliche Konzept genüge den Anforderungen nicht und demzufolge auch nicht die Fortschreibung. Außerdem sei das Konzept nicht öffentlich bekannt gemacht worden. Die Klägerin habe auch keine wirksame Kostensenkungsaufforderung erhalten und der Beklagte habe die ausreichende konkrete Verfügbarkeit von Wohnraumalternativen nicht nachgewiesen.
Der Beklagte hat seine Entscheidung, namentlich das Konzept als schlüssig verteidigt. Er hat ausgeführt, die Erhöhung ab September 2015 orientiere sich an den Vorgaben zum qualifizierten Mietspiegel. Für die erstmalige Fortschreibung des Konzepts seien vom Bayerischen Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung entnommene Indizes für Nettokaltmiete und kalte Betriebskosten verwendet worden. Die Werte für die kalte Grundmiete seien um 3,18%, die für die Betriebskosten um 0,58% erhöht worden. Die Fortschreibung anhand von eines Indexwertes werde auch im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende für zulässig erachtet. Hinsichtlich Datenerhebung und Datenauswertung sei eine grundsätzliche Ve...