Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. neue Untersuchungsmethode. HRT-Scan zur Früherkennung und Verlaufsdiagnostik bei Glaukomerkrankungen. Etablierung in augenärztlicher Praxis, aber mangels ausreichender Studienlage keine Aussicht auf positive Bewertung durch GBA. kein Systemversagen
Leitsatz (amtlich)
Die Situation, dass sich in der ambulanten Versorgung eine Untersuchungsmethode (HRT-Scan) etabliert hat (als IGeL), deren Einsatz nicht mit ausreichenden Studien begleitet wurde, so dass ein Methodenbewertungsverfahren voraussichtlich keine Aussicht auf eine positive Bewertung durch den GBA hat und entsprechend auch kein Antrag nach § 135 Abs 1 SGB 5 gestellt wird, ist kein Fall des Systemversagens.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt mit der Klage die Erstattung der Kosten für den Scan mit einem sog. Heidelberg Retina Tomograph (HRT). Letztlich geht es ihm primär darum, dass der HRT-Scan in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen wird.
Bei dem HRT handelt es sich um ein konfokales Punkt-Scanning-Laser Ophthalmoskop, das von Augenärzten zur Untersuchung der Hornhaut und bestimmter Bereiche der Netzhaut eingesetzt wird. Der wichtigste Anwendungsbereich des HRT ist die Überprüfung des Sehnervkopfes (Papille) zum Zwecke der Früherkennung und Verlaufskontrolle des Glaukoms (Grüner Star). Durch Einsatz entsprechender Module ist auch die Untersuchung der vorderen Augenabschnitte sowie der Netzhaut (vor allem der Makula) möglich. In den Arztpraxen wird das HRT im Rahmen einer individuellen Gesundheitsleistung (IGeL) eingesetzt.
Der Kläger leidet an einem Glaukom. Im September 2013 beantragte er die Kostenübernahme für ein HRT-Scan und gab die dafür anfallenden Kosten mit 77,03 Euro an. Mit Schreiben vom 14.10.2013 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, es handele sich bei der beantragten Leistung nicht um die von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung “Dreidimensionale Untersuchung von Papille und Netzhaut„. Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger unter anderem damit, dass es sich bei der HRT-Messung um eine wahre, belastbare und zeitgemäße Untersuchungsmethode handele.
Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ein. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 27.12.2013 aus, dass seines Erachtens eine Kostenübernahme nicht erfolgen können, da es sich bei dem HRT um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelte, hinsichtlich der der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) noch keine positive Stellungnahme abgegeben habe. Es liege weder ein Systemversagen vor, noch sei der Tatbestand des § 2 Abs. 1a SGB V erfüllt. Der Stellenwert des HRT-Scan als alleinige Untersuchungstechnik im Rahmen einer Kombination verschiedener diagnostischer Maßnahmen bei Glaukomdiagnostik und -monitoring sei derzeit nicht durch Studien von ausreichend hoher Evidenz und ausreichend langer Nachbeobachtung belegt. Alternative vertragliche Leistungen stellten in Abhängigkeit vom Befund dar: Ausführliche Anamneseerhebung; Prüfung der Sehschärfe; Biomikroskopische Untersuchung des Auges mittels Spaltlampe zu Beurteilung des vorderen Augenabschnittes inklusive Augeninnendruckmessung (ggf. als Tensio-Tagesprofil) und Gonioskopie (Untersuchung des Kammerwinkels); biomikroskopische Untersuchung des Auges mittels Spaltlampe zur Beurteilung des hinteren Augenabschnitts insbesondere Beurteilung des Sehnervkopfes (Papille) und Nervenfaserschicht (im rotfreien Licht); regelmäßige Gesichtsfelduntersuchung und soweit notwendig 24-Stunden Blutdruckmessung. Diese Untersuchungsmethoden seien aus sozialmedizinischer Sicht als hinreichend anzusehen, um die notwendige Therapie bei Vorliegen eines Glaukoms einleiten und den Erkrankungsverlauf überwachen zu können. Eine Untersuchung mit dem HRT sei nicht notwendig, um eine fachgerechte Behandlung durchzuführen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2014 wies die Beklagte den Widerspruch insbesondere unter Verweis auf die Ausführungen des MDK zurück.
Am 24.04.2014 hat der Kläger Klage erhoben. Die Argumentation der Beklagten und des MDK zu zeitgemäßen Diagnosemethoden, Inhalten und Änderungsgeschwindigkeiten von Leistungskatalogen seien rechtlich sicher beanstandungsfrei, fachlich aber seines Erachtens mittelalterlich. Dabei werde in keiner Weise auf Angemessenheit von Aufwand und Nutzen, also Kosten und Ergebnis eingegangen. Die Lebenseinschränkungen und Kosten bei Blindheit der Betroffenen schienen uninteressant zu sein. Dagegen gebe es viele fragwürdige “Kassen-Leistungen„. Es sei über eine Klage vor dem Sozialgericht durchzusetzen, dass eine fachliche Entwicklung stattfinde.
Der Kläger beantragt,
der Bescheid vom 14.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2014 wird aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Kosten fü...