Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Todes aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Witwerrente. Versorgungsehe. kurze Ehedauer. lebensbedrohliche Krebserkrankung. widerlegte Versorgungsvermutung. konkrete Heiratspläne bezüglich einer Hochzeit bereits vor der Stellung einer endgültigen Diagnose einer lebensbedrohlichen Krebserkrankung
Orientierungssatz
Die Versorgungsvermutung des § 46 Abs 2a SGB 6 ist widerlegt, wenn konkrete Heiratspläne bezüglich einer Hochzeit bereits vor der Stellung der endgültigen Diagnose einer lebensbedrohlichen Krebserkrankung bestanden haben und eine mögliche Versorgung des Hinterbliebenen jedenfalls nicht überwiegendes Motiv für die Eheschließung war.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 11. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2021 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Witwerrente aus der Versicherung der verstorbenen Frau A. D. zu gewähren.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Hinterbliebenenrente im Streit.
Der am … 1970 geborene Kläger ist Witwer der am … 2020 verstorbenen Versicherten Frau A. D.
Die Versicherte war im Jahr 2014 an Brustkrebs erkrankt und behandelt worden. Im Rahmen der Nachkontrolle wurde gemäß einem Arztbrief der C. vom 10. Juni 2020 im November 2018 erstmals ein unklarer Tumormarkeranstieg festgestellt.
Am 5. September 2019 stellten der Kläger und die verstorbene Versicherte bei M. e.V. eine Anfrage für eine Reservierung von Veranstaltungsräumen für den 17. Juli 2020. Als Thema/ Anlass der Veranstaltung war „Geburtstag 2x50 und Überraschungshochzeit“ angegeben. Am 21. November 2019 bestätigte das Standesamt S. einen Termin zur Auskunft, Beratung und Anmeldung Eheschließung für den 3. März 2020. An diesem Tag wurde dann auch durch das Standesamt S. die Anmeldung der Eheschließung für den 16. Juli 2020 bescheinigt.
Bereits im Dezember 2019 wurde dem Arztbrief der C. vom 10. Juni 2020 zufolge ein ossäres Rezidiv bei der Versicherten festgestellt. Im Februar 2020 erfolgten weitere Untersuchungen und im März 2020 die Diagnose von Metastasierungen. Am 25. März 2020 wurde lt. Beschluss der Tumorkonferenz eine palliative Chemotherapie empfohlen.
Am 5. April 2020 wurde die Versicherte zur Behandlung auf die onkologische Normalstation der C. aufgenommen. Die Eheschließung erfolgte dann am 16. April 2020 im Krankenhaus.
Die Versicherte verstarb am 23. Juli 2020. Am 28. Oktober 2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente. Der Kläger gab insbesondere an, dass die Heirat im Jahr 2019 für den 16. Juli 2020 geplant worden sei (50. Geburtstag der Verstorbenen), nach 9 Jahren des Zusammenlebens. Im März sei die Krebserkrankung diagnostiziert worden und am 16. April sei dann die Nottrauung im Krankenhaus erfolgt.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 11. November 2020 ab. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, dass die Ehe weniger als ein Jahr gedauert habe. Bei einer Dauer von weniger als einem Jahr gehe der Gesetzgeber davon aus, dass der überwiegende Zweck der Eheschließung die Versorgung durch eine Hinterbliebenenrente sei. Diese Annahme könne widerlegt werden, wenn besondere Umstände gegen die gesetzliche Vermutung sprächen. Nach den vorliegenden Unterlagen sei zum Zeitpunkt der Eheschließung absehbar gewesen, dass eine vorhandene Krankheit innerhalb eines Jahres zum Tod führen würde. Es bestehe daher kein Anspruch auf eine Witwerrente.
Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger insbesondere geltend, dass sie bereits im Oktober 2019 beschlossen hätten, im Jahr 2020 zu heiraten. Erst am 17. März 2020 sei nach der Computertomographie die Diagnose Krebs gestellt worden. Das mögliche Ableben der Versicherten habe bei der Eheschließung somit nicht die geringste Rolle gespielt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2021 als unbegründet zurück. Die vorliegenden Unterlagen und die im Widerspruchsverfahren gemachten Angaben ließen den Schluss auf eine Versorgungsehe/Versorgungspartnerschaft zu. Aufgrund der Erkrankung und des Krankenhausaufenthaltes der verstorbenen Ehefrau des Klägers sei die am 3. März 2020 angemeldete und für den 16. Juli 2020 geplante Eheschließung vorgezogen worden. Die Eheschließung sei am 16. April 2020 als sogenannte Nottrauung im Krankenhaus erfolgt.
Hiergegen hat der Kläger am 6. April 2021 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er macht insbesondere geltend, dass er bereits seit 2012 mit seiner verstorbenen Frau zusammengelebt habe. Sie hätten ihre 5 Kinder, die sie aus ihren vorherigen Ehen insgesamt gehabt hätten, gemeinsam aufgezogen. Nachdem alle Kinder eigene Hausstände gegründet hätten, hätten sie schon im Oktober 2019 noch vor dem 50. Geburtstag der Frau D. geplant zu heiraten. Am 21. November 2019 hätten sie beim zuständigen Standesamt einen Termin ...