Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung eines Krankenhaushauses zur ambulanten Krankenbehandlung nach § 116b Abs 2 SGB 5. Anfechtungsbefugnis eines Vertragsarztes
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bestimmung eines Krankenhauses zur ambulanten Krankenbehandlung gemäß § 116b Abs 2 SGB 5 und zur Anfechtungsbefugnis eines Vertragsarztes, der im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen erbringt.
2. Das Berücksichtigungsgebot des § 116b Abs 2 S 1 SGB 5 wirkt auf Grund des Wertgehalts der Grundrechte aus Artikel 3 Abs 1 in Verbindung mit Artikel 12 Abs 1 GG potentiell drittschützend (vgl SG Dresden vom 29.9.2009 - S 11 KA 114/09 ER = KHR 2009, 200).
3. Erst wenn sich ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme auf die Berufsausübung der im selben Einzugsbereich die gleichen Leistungen erbringenden Vertragsärzte in qualifizierter und individualisierter Weise auswirkt, die über eine bloße Verschärfung des Konkurrenzdruckes hinausgeht, kann sich der potentiell drittschützende Gehalt des § 116b Abs 2 S 1 SGB 5 zu einem subjektiven Recht verdichten.
4. Die über eine reine Konkurrenzbetroffenheit hinausgehende besondere Betroffenheit im Schutzbereich des Artikel 3 Abs 1 in Verbindung mit Artikel 12 Abs 1 GG kann aus einem strukturell bedingten Wettbewerbsungleichgewicht zwischen Vertragsarzt und Krankenhaus resultieren. Eine konkrete Wettbewerbsasymmetrie kann sich beispielsweise ergeben:
- aus einem Wettbewerbsvorsprung des Krankenhauses in der ambulanten Versorgung von Tumorpatienten, wenn es versorgungsbereichsübergreifend den Therapieverlauf der an sie überwiesenen Patienten mitbestimmen kann, dagegen vertragsärztliche Onkologen nicht über eine vergleichbare Schlüsselposition im Behandlungsverlauf verfügen,
- aus der eingeschränkten Möglichkeit des betroffenen Vertragsarztes, wegen Einschränkungen des vertragsärztlichen Leistungsspektrums durch die Fachgebietsgrenzen und den Methodenvorbehalt nach § 135 SGB 5 auf die mit dem Hinzutreten eines Krankenhauses geänderten Bedingungen in wettbewerbsadäquater Weise durch Verlagerung des Behandlungsspektrums und Erschließung anderer Tätigkeitsschwerpunkte zu reagieren, so dass den wettbewerblichen Risiken keine entsprechenden beruflichen Chancen gegenüberstehen (hier bejaht in Bezug auf eine Sonderbedarfszulassung des betroffenen MVZ ausschließlich zur onkologischen Versorgung).
5. Die Krankenhausplanungsbehörde hat auf Grund einer Abwägung dafür Sorge zu tragen, dass die unvermeidlichen Ungleichheiten im Wettbewerb zwischen vertragsärztlichen Leistungserbringern und Krankenhäusern noch von dem mit § 116b SGB 5 verfolgten gesetzgeberischen Anliegen gerechtfertigt sind und nicht zu unverhältnismäßigen Auswirkungen für die vertragsärztlichen Leistungserbringer führen.
Zu diesem Zweck kann die Krankenhausplanungsbehörde die Bestimmung nach § 116b Abs 2 SGB 5 in grundrechtskonforme Auslegung und Anwendung des Gesetzes und der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht nur räumlich begrenzen, sondern auch gegenständlich einschränken.
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 25.05.2009, Az. S 18 KA 86/09, gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28.04.2009, Az. 34-5441.10-302/21 (bekanntgegeben unter dem Az. 34-5441.10-302/17), wird wiederhergestellt.
Soweit die Beigeladene zu 1 bereits die ambulante Behandlung von Patienten auf Grundlage des Bescheides vom 28.04.2009 aufgenommen und den Behandlungsbeginn dokumentiert hat, bleibt der Bescheid vom 28.04.2009 hinsichtlich dieser Patienten weiterhin vollziehbar.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 jeweils zur Hälfte.
III. Der Streitwert wird auf 55.031,40 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners zur Bestimmung des zu 1 beigeladenen Klinikums zur ambulanten Diagnostik und Versorgung gesetzlich versicherter Patienten mit onkologischen Erkrankungen.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine von den Ärzten Dr. med. T. E. und M. W. gebildete Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, die unter der Bezeichnung "MVZ M." ein Medizinisches Versorgungszentrum mit Sitz in S. betreibt. Die Antragstellerin nimmt auf Grund von Beschlüssen des Zulassungsausschusses Ärzte L. vom 05.06.2007 seit dem 01.07.2007 an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Die Antragstellerin nimmt auf der Grundlage einer in das Medizinische Versorgungszentrum eingebrachten Sonderbedarfszulassung des Mitgesellschafters Dr. E. an der fachärztlichen Versorgung teil. Die Sonderbedarfszulassung wurde Dr. E. zur Betreuung onkologischer Patienten einschließlich der Durchführung von Chemotherapien erteilt und berechtigt, Leistungen aus dem Leistungsspektrum des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie vertragsärztlich zu erbringen und abzurechnen. Dr. E. ist Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkolog...