Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ersatzanspruch bei sozialwidrigem Verhalten. Anforderungen an die Bestimmtheit des Bescheides über die Ersatzpflicht. Nichtangabe des konkreten Rückforderungsbetrages
Orientierungssatz
Ein Bescheid über die Ersatzpflicht nach § 34 SGB 2 ist nur dann hinreichend bestimmt, wenn der Adressat des Verwaltungsakts die Höhe der Haftungsschuld erkennen kann, dh der konkret geschuldete Betrag angegeben ist.
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten vom 28.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2012 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Ersatzpflicht des Klägers aufgrund sozialwidrigen Verhaltens für den Leistungszeitraum 01.10.2011 bis 31.03.2012.
Der 1971 geborene Kläger ist derzeit inhaftiert in der Justizvollzugsanstalt W. Seine Ehefrau und drei der vier gemeinsamen Kinder wohnen in einem Eigenheim in D. und beziehen seit Oktober 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Der Kläger war als Servicetechniker bei der D.AG beschäftigt. Im Rahmen dessen war er zuständig für die Betreuung der öffentlichen Fernsprecher im Raum D. und Umgebung. Hierzu gehörte unter anderem die Entnahme der Kassetten, in welchen sich die durch die Nutzer der Fernsprecher eingeworfenen Münzgelder befinden. Dies nutzte der Kläger, um in dem Zeitraum 2004 bis 2008 die entnommenen Münzgelder zu stehlen. Der Kläger machte sich dadurch wegen Diebstahls in 1.790 Fällen strafbar. Der D.AG entstand ein Schaden in Höhe von mindestens 459.856,01 EUR. Der Kläger wurde nach Entdeckung der Taten vorläufig festgenommen, sodann aber wieder freigelassen. Die D.AG kündigte ihm am 15.05.2008 fristlos. Seit dem 01.03.2009 arbeitete der Kläger wieder als Servicetechniker bei einer Firma in B. Das Landgericht Dresden verurteilte den Kläger am 21.12.2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Der Haftantritt war am 04.10.2011. Sein Arbeitsverhältnis mit der Firma in B. wurde zu diesem Zeitpunkt per Aufhebungsvertrag aufgelöst.
Am 05.10.2011 beantragte die Ehefrau des Klägers für sich und die Kinder erstmalig Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 28.02.2012 wurden ihnen für den Zeitraum 01.10.2011 bis 31.03.2012 vorläufig Leistungen bewilligt. Die Vorläufigkeit beruhte auf dem schwankenden Einkommen der Ehefrau des Klägers aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit. Bereits mit Schreiben vom 05.01.2012 hörte der Beklagte den Kläger dazu an, dass er beabsichtige, den Kläger zum Ersatz der an seine Familie gezahlten Leistungen zu verpflichten. Der Kläger antwortete hierauf nicht.
Am 28.02.2012 erließ der Beklagte sodann einen Bescheid über die Ersatzpflicht der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 34 SGB II. Der Beklagte kam darin zu dem Ergebnis, dass der Kläger grob fahrlässig gehandelt habe, weil er aufgrund seiner Haftstrafe sein Arbeitsverhältnis habe auflösen müssen und deshalb zum Ersatz der aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 28.02.2012 an seine Familie gezahlten Leistungen verpflichtet sei. Die Höhe der zurückzuzahlenden Summe ist in dem Bescheid nicht genannt.
Hiergegen legte der Kläger vertreten durch seine Bevollmächtigte mit Schreiben vom 28.03.2012 Widerspruch ein. Dieser wurde damit begründet, dass der Kläger seit dem Tag seiner Inhaftierung nicht mehr Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei. Da § 34 SGB II eine Ersatzpflicht aber nur vorsehe, wenn Leistungen an sich oder an Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, gezahlt werden, komme eine Ersatzpflicht nur in der Zeit vom 01.10. bis 03.10.2011 in Betracht.
Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 07.09.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte begründete diese Entscheidung damit, dass der Kläger trotz seiner Inhaftierung gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei. Gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 und S. 2 SGB II sei er lediglich von Leistungen ausgeschlossen. Damit lägen die Voraussetzungen von § 34 SGB II vor.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger vertreten durch seine Bevollmächtigte am 05.10.2012 Klage beim Sozialgericht Dresden. Er ist der Auffassung, dass § 34 SGB II einschränkend auszulegen sei und nicht jedes verwerfliche Verhalten zu einer Ersatzpflicht führe. Erfasst werde vielmehr nur ein sozialwidriges Verhalten mit einem spezifischen Bezug zur Leistungserbringung, welches auf die Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit gerichtet sei. Er habe jedoch die Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit seiner Familie im Falle einer Haftstrafe weder beabsichtigt, noch vorhergesehen. Eine Ersatzpflicht scheide daher aus.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 28.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt die ergangenen Bescheide. Allein die Behauptung des Klägers, er habe die Folg...