Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgebliche Verjährung von Erstattungsansprüchen des Versicherungsträgers. Nichtigkeit eines Verwaltungsakts
Orientierungssatz
1. Ein Verwaltungsakt ist nach § 40 SGB 10 nichtig, wenn er an einem besonders schweren Mangel leidet und dies offensichtlich ist. Ob Erstattungsansprüche eines Versicherungsträgers mittels der zutreffenden Leistungsklage oder durch Verwaltungsakt geltend zu machen sind, war lange Zeit umstritten. Jedenfalls stellt die Geltendmachung durch Verwaltungsakt keinen besonders schwerwiegenden Fehler dar, der die Nichtigkeit eines Bescheids begründen könnte.
2. Eine vom Rentenversicherungsträger nach dem Tod des Versicherten zu Unrecht weitergezahlte Rente ist nach § 118 Abs. 4 SGB 6 zu erstatten. Auf einen Wegfall der Bereicherung kann sich der Empfänger nicht berufen.
3. Für die Verjährung des Erstattungsanspruchs ist die in § 118 Abs. 4 S. 3 SGB 6 enthaltene Verjährungsfrist nicht anwendbar. Wegen der Nähe zu dem Erstattungsanspruch nach § 50 SGB 10 ist vielmehr die Verjährungsregelung des § 50 Abs. 4 SGB 10 entsprechend anwendbar. Danach verjährt der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Nichtigkeit bzw. die Rücknahme eines Bescheides, mit dem sie auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 838.783,57 DM (entsprechend 428.863,22 Euro) in Anspruch genommen wird.
Die Klägerin war die Schwiegertochter des am 00.00.1889 geborenen und am 00.00.1977 verstorbenen Versicherten Emil Conrad. Der Versicherte bezog aufgrund eines Bescheides vom 24.01.1955 ab Dezember 1954 eine Altersren-te von der Beklagten. Von dem Tode des Versicherten erhielt die Beklagte zu-nächst keine Kenntnis. Die Zahlung der Rente wurde daher nicht eingestellt. Vielmehr wurden von der Beklagten wegen der Vollendung des 90., des 95., des 100., des 101. und des 102. Lebensjahres Glückwunschschreiben versandt und Sonderzuwendungen bzw. Ehrengaben gezahlt. Im Jahre 1996 wurde von der Beklagten in einem an den Versicherten gerichteten Schreiben ausgeführt, es sei erforderlich, die Rentenzahlung auf eine Versicherungsnummer umzu-stellen. Schließlich wurde der Beklagten im September 1997 von dem Postren-tendienst mitgeteilt, der Versicherte sei bereits im März 1977 verstorben.
Die Postbank L teilte auf Anfrage der Beklagten im September 1997 mit, dem Rückforderungsbegehren über 838.783,57 DM könne nicht entsprochen werden, da das Konto nicht genügend Guthaben aufweise. Die Beklagte werde gebeten, sich mit den Verfügungsberechtigten H1 D - also der Klägerin - und I D - dem Sohn des Versicherten - in Verbindung zu setzen. Auf telefonische Anfrage teilte die Postbank ferner mit, das Konto befinde sich im Soll.
An den Sohn des Versicherten und die Klägerin wurden Schreiben gerichtet, in denen ihnen mitgeteilt wurde, es sei beabsichtigt, den Erstattungsbetrag von ihnen zurückzufordern. Es werde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Nach einem Telefonvermerk der Beklagten teilte die Klägerin mit, nur sie habe über das Konto ihres Schwiegervaters verfügt Sie sei der Meinung gewesen, das Geld zu Recht in Empfang zu nehmen. Der Sohn des Versicherten gab an, er habe nicht gewusst, dass seine Ehefrau das Geld erhalten habe. Schriftlich teilte die Klägerin der Beklagten im November 1997 mit, der Versicherte habe ihr erzählt, dass sie nach seinem Tode eine 20jährige Rente von seiner noch in H2 beim H3 abgeschlossenen Versicherung in Verbindung mit der Rentenversicherung erhalten werde. Bei seinem Tode solle sie nur seine Versicherungskarte bei der Beklagten einreichen und um die Zahlung der Rente bitten. Dies habe sie getan und sei glücklich gewesen, als sie die erste Zahlung erhalten habe. Der Sohn des Versicherten verstarb am 00.00.1998.
Mit Bescheid vom 13.01.1998 wurde der Klägerin mitgeteilt, der infolge des Todes des Versicherten zu Unrecht gezahlte Rentenbetrag von 838.783,57 DM sei von ihr nach § 118 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch 6. Teil - SGB VI - zu erstatten. Der Bescheid wurde der Klägerin per Einschreiben/Rückschein am 16.01.1998 zugestellt. Mit Schreiben vom 15.01.1998 teilte die Klägerin der Be-klagten mit, ihr Ehemann sei verstorben. Mit Schreiben vom 16.02.1998 wandte sie sich an die Beklagte und bat um Ratenzahlung.
Mit Schreiben vom 19.03.1998 wurde der Klägerin eine Mahnung übersandt. In der Folgezeit wurden Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet. Insbesondere wurde auf das Grundstück der Klägerin eine Sicherungshypothek eingetragen.
Im Dezember 1998 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und machte geltend, sie habe mit Schreiben vom 15.01.1998 Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.01.1998 eingelegt. Der Bescheid vom 13.01.1998 sei nicht bestandskräftig. Die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seien daher nicht gerechtfertigt. Die ...