Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung überzahlter Geldleistung durch einen Dritten nach dem Tod des Rentenberechtigten. Rücküberweisungsanspruch gegenüber der kontobevollmächtigten Tochter
Leitsatz (amtlich)
Die Vollmacht über das Konto des verstorbenen Rentenbeziehers macht den Bevollmächtigten nicht ohne Weiteres zum Verfügenden iS des § 118 Abs 4 S 1 SGB 6.
Orientierungssatz
Ein Rücküberweisungsanspruch gegenüber der kontobevollmächtigten Tochter des Rentenberechtigten besteht nicht, wenn diese weder Empfängerin noch Verfügende iS des § 118 Abs 4 S 1 SGB 6 der Geldleistungen war, die zu Unrecht mittels Barauszahlungen oder EC-Karte und PIN vom Konto des Verstorbenen abgehoben wurden.
Tenor
Der Bescheid vom 26.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2010 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten.
Der Streitwert wird auf 1.535,66 Euro festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von Rentenleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten.
Die Beklagte zahlte dem am 22.12.1933 geborenen Herrn H.F. (i.F.: Versicherter) Rente. Nach dessen Tod am xxx 2008 flossen die Rentenzahlungen i.H.v. jeweils 426,28 Euro für die Monate Oktober 2008 bis Januar 2009 weiter auf sein Konto. Zwischen den 30.09.2008 und dem 02.01.2009 wurde von dem Konto mittels vier Barverfügungen am Geldautomat (mit der Karte Nr. xxx) ein Betrag von insgesamt 1.515.- Euro abgehoben. Hinzu kamen zwei EC-Karten-Verfügungen i.H.v. insgesamt 27,64 Euro sowie eine PIN-Auszahlung i.H.v. 8.- Euro. Verfügungsberechtigt über das Konto war - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - die Klägerin.
Nach Anhörung der Klägerin verlangte die Beklagte mit Bescheid vom 26.06.2009 den Betrag von 1.535,66 Euro erstattet.
Die Klägerin legte hiergegen am 10.09.2009 Widerspruch ein und führte zunächst aus, nachdem sie den Rückforderungsbetrag gelesen habe, sei sie so entsetzt gewesen, dass sie den Bescheid nicht zu Ende gelesen habe. Somit habe sie auch von ihrer Widerspruchsmöglichkeit und der damit verbundenen Frist keine Kenntnis gehabt. In der Sache führte sie aus, sie habe die entsprechenden Verfügungen nicht vorgenommen. Insbesondere sei sie auch nicht im Besitz der EC-Karte des Versicherten gewesen. Sie vermute, dass ihre Halbschwester, Frau H1.F. (ebenfalls eine Tochter des Versicherten), die auch zuletzt die “offizielle Pflege„ des Versicherten besorgt habe, diese Abhebungen verfügt haben könnte. Sie habe deswegen Strafanzeige erstattet, allerdings sei ihre Halbschwester unbekannten Aufenthalts.
Die Beklagte wandte sich nun an die Ehefrau des Versicherten, die über ihre Verfahrensbevollmächtigte im Januar 2010 mitteilte, sie selbst habe sich im Zeitraum von Oktober 2008 bis Januar 2009 im Iran aufgehalten. Um die Angelegenheiten des Versicherten hätten sich dessen erwachsene Kinder gekümmert, insbesondere Frau H1.F., die nach dem Tod des Versicherten auch gegenüber dem Standesamt wissentlich die falsche Angabe gemacht habe, der Versicherte sei geschieden gewesen.
Versuche der Beklagten, an Frau H1.F. heranzutreten, scheiterten daran, dass deren Anschrift nicht ermittelt werden konnte.
Mit Bescheid vom 01.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück (wobei sie zuvor ausweislich eines internen Aktenvermerks zur Auffassung gelangt war, dass der angefochtene Bescheid wegen bereits bestehender Vertretung nicht unmittelbar gegenüber der Klägerin hätte bekannt gegeben werden dürfen). Sie führte aus, die Klägerin sei als Inhaberin einer Kontovollmacht auch hinsichtlich der Barabhebungen und der anderen Kontoverfügungen als Verfügende anzusehen. Auch wenn die Abhebungen - was im Übrigen nicht erwiesen sei - von der Halbschwester der Klägerin vorgenommen worden seien, ändere dies nichts daran, dass die Klägerin als Verfügende in Anspruch genommen werden könne.
Hiergegen richtet sich die am 04.10.2010 zunächst beim SG Itzehoe erhobene und an das erkennende Gericht verwiesene Klage.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 26.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Sprungrevision zuzulassen.
Beide Beteiligte wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen.
Das Gericht hat eine Auskunft des kontoführenden Kreditinstituts eingeholt, wonach die bei den Verfügungen verwandte Karte Nr. xxx auf den Versicherten ausgestellt war. Weitere Karten seien nicht ausgestellt worden. Kontovollmacht habe neben dem Versicherten einzig die Klägerin besessen. Bildaufzeichnungen über die Abhebevorgänge existierten nicht mehr.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
A.) Die Klage ist zulässig.
Einer Entscheidung in der Sache steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Wider...