Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Voraussetzung der Annahme einer Versorgungsehe
Orientierungssatz
Wurde nach einem länger währenden nichtehelichen Zusammenleben (hier: 16 Jahre) eine Eheschließung erst dann vorgenommen, als bei einem der Partner ein gravierendes, lebensbedrohliches und multimorbides Krankheitsbild eingetreten ist, so dass jederzeit mit einem Versterben zu rechnen war, ist regelmäßig vom Vorliegen einer Versorgungsehe auszugehen. Soweit der Tod des Ehegatten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung eintritt, besteht deshalb kein Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente. Das gilt auch dann, wenn der verstorbene Ehegatte bereits während des nichtehelichen Zusammenlebens an einer Eheschließung interessiert war, ohne dass diese tatsächlich geplant und vorgenommen wurde.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Witwenrente.
Die am 04.09.1940 geborene Klägerin schloss mit dem am 22.11.1939 geborenen Versicherten Herrn E. (hier: Herr M.) am 20.12.2011 die Ehe. Am 30.03.2012 ist Herr M. verstorben.
Am 20.04.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente. Mit dem Schreiben vom 14.04.2012 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass eine Witwenrente gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI ausgeschlossen sei, da die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe und die gesetzliche Vermutung, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung zu begründen, bislang nicht widerlegt sei. Daraufhin trug die seinerzeitige Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, dass die Klägerin mit ihrem Sohn bereits am 15.10.1989 zu Herrn M. gezogen sei und sie daher schon 22 Jahre vor der Heirat in einem Haushalt als Familie zusammengelebt hätten. Die Klägerin habe sich um den gemeinsamen Haushalt und den Garten, Herr M. um den landwirtschaftlichen Betrieb, in den sie sich im Laufe der Jahre eingearbeitet habe, gekümmert. Zuletzt seien beide Rentner gewesen. Die Klägerin habe eine eigene Rente von ca. 950,00 €, Herr M. eine solche von ca. 1000,00 € bezogen. Hiervon sei auch der gemeinsame Lebensunterhalt finanziert worden. Als die Klägerin bei Herrn M. 1989 eingezogen sei, seien die Möbel und der Hausrat komplett neu angeschafft worden. 1992 habe sich das Paar gemeinsam ein Wohnmobil und im Jahr 1995 eine neue Küche gekauft. Seit 5 Jahren habe die Klägerin eine Kontovollmacht über das Girokonto von Herrn M. besessen, der seinerseits eine Vollmacht für das Konto der Klägerin gehabt habe. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei daher eine Versorgungsehe auszuschließen. Auch die lange Dauer des Zusammenlebens würde gegen eine Versorgungsehe sprechen. Denn es sei 1989 bereits klar gewesen, dass das Paar habe zusammenbleiben wollen. Darüber habe man sich oft unterhalten. Im Übrigen habe Herr M. der Klägerin bereits vor 6 Jahren einen Heiratsantrag gemacht. Dieser sei ihr jedoch zu plump gewesen, da er die Ringe einfach unter den Weihnachtsbaum gelegt habe, wo sie diese erst am nächsten Tag zufällig entdeckt habe. Es sei damals nur deshalb nicht zu einer Heirat gekommen, weil sich die Klägerin einen Heiratsantrag romantischer vorgestellt habe. Bei der Heirat am 20.12.2011 hätten dann die romantischen Voraussetzungen für die Klägerin gestimmt. Mit einem so baldigen Tod von Herrn M. habe sie nicht gerechnet.
Aus beigezogenen medizinischen Unterlagen ergab sich allerdings, dass bei Herrn M. im Oktober 2011 ein Sigmakarzinom diagnostiziert wurde. Im Klinikum F. erfolgte daraufhin am 10.10.2011 eine operative Teilentfernung des Mastdarms unter Mitnahme eines Teils des Bauchfells und des Wurmfortsatzes, da während des operativen Eingriffs eine entsprechende Metastasierung festgestellt worden war. Ferner wurde ein künstlicher Darmausgang gelegt. Am 20.11.2011 erlitt Herr M. zudem einen Hirninfarkt und wurde deswegen in der Zeit vom 22.11.2011 in der neurologischen Abteilung des G. behandelt. Dort ergab sich im weiteren Verlauf der stationären Behandlung keine Verbesserung der körperlichen und kognitiven Belastbarkeit und des neurologischen Störungsbildes, da die Tumorerkrankung zunehmend das Krankheitsgeschehen beherrschte. Im Entlassungsbericht wurden u. a. folgende Diagnosen angegeben:
- Hirninfarkt rechts (anterior sowie multiple kleine Mediainfarkte) durch Embolie zerebraler Arterien am 20.10.2011,
- höchstgradige Stenose der Arteria carotis interna rechts, Harnwegsinfekt,
- Enterokokken als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind,
- stenosierendes siegelringzelliges Sigmaadenokarzinom,
- anteriore Rektumresektion,
- Peritonealkarzinose, Chemotherapie 13.10.2011,
- V. a. Hypophysenmakroadenom,
- Anämie infolge Tumorleiden,
- Dekubitalgeschwür 3. Grades, sakral,
- koronare Herzkrankheit,
- arterieller Hypertonus,
- inkomplette Hypästhesie der Haut links (Extremitäten...