Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Nebendiagnose. Kodierung eines Lymphödems als Komplikation einer Operation. Prüfstufen über zutreffende Kodierung
Leitsatz (amtlich)
1. Tritt ein Lymphödem infolge einer Operation auf, ist als Nebendiagnose ICD-10-GM I97.8 zu kodieren.
2. Die Prüfung, ob eine Nebendiagnose zutreffend kodiert ist, kann abschließend in vier Stufen erfolgen.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.334,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16. Dezember 2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 1.334,26 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf weitere Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 1.334,26 Euro nebst Zinsen durch Änderung einer Nebendiagnose.
Die Klägerin ist ein rechtlich verselbständigtes U. (nachfolgend: Klinik). Die Beklagte ist die gesetzliche Krankenversicherung der Patientin A.B., geb. 1939, (nachfolgend: Versicherte).
Die Versicherte wurde vom 26. August 2008 bis 11. September 2008 stationär in der Klinik behandelt. Die Aufnahme erfolgte wegen Gebärmutterhalskrebses. Sie wurde mit einer radikalen Hysterektomie nach Wertheim-Meigs und beidseitiger Adnexektomie behandelt. Die Operation wurde am 27. August 2008 durchgeführt. Bei leichter Beinschwellung links wurde zweimal ein Ausschluss einer Thrombose vorgenommen. Bis zur Entlassung zeigte sich postoperativ ein Lymphödem am linken Bein. Bei einer MRT-Untersuchung kurz nach Entlassung erklärte sich das Lymphödem als konsekutiv zu einer operationsbedingten Lymphozele im Bereich der linken Beckenwand mit konsekutivem Lymphödem am linken Bein. Weiterhin sah man einen Harnstau der linken Niere sowie eine herabgesetzte Durchblutung der linken Niere.
Am 12. Oktober 2008 stellte die Klägerin der Beklagten auf Grundlage der DRG N01B und u.a. mit der Nebendiagnose I97.8 “Sonstige Kreislaufkomplikationen nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert„ 8.967,86 Euro in Rechnung. Die Rechnung wurde zunächst bezahlt.
Die Beklagte leitete am 14. November 2008 ein Prüfverfahren beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ein. Die Beteiligten stritten seit 27. April 2009 schriftlich über die Vorlage der Patientenakte.
Am 15. Dezember 2009 nahm die Beklagte eine Verrechnung von 1.334,26 Euro mit einer unstreitig bestehenden Forderung aus der Behandlung der Patientin E.D. vor. Aus einer in der Verwaltungsakte befindlichen Berechnung der Beklagten geht hervor, dass der Kürzungsbetrag auf der Streichung der die Nebendiagnose I197.8 beruht; hierdurch sank das Relativgewicht der DRG von 3,143 auf 2,677 und damit der Rechnungsbetrag um den streitgegenständlichen Betrag.
Erst am 15. September 2011 kam es zu einer Begutachtung durch den MDK. Dieser war ebenfalls der Auffassung, dass statt der Nebendiagnose “Sonstige Kreislaufkomplikationen nach medizinischen Maßnahmen, anderenorts nicht klassifiziert„ die Nebendiagnose I89.0 “Lymphödem, anderenorts nicht klassifiziert„ zu verwenden sei. Die Nebendiagnose I97.8 ergäbe sich zwar für Lymphödeme nach operativem Eingriff aus dem Thesaurus des DIMDI. Dieser sei aber nicht verbindlich.
Am 27. Dezember 2012 erhob die Klägerin Klage. Sie trägt vor, die Zuordnung der Operationsfolgen zur Nebendiagnose I89.0 greife zu kurz, da sie ein einfaches Lymphödem betreffe. Hier handele es sich um ein schweres Lymphödem, das zudem nach einer Operation aufgetreten sei. Die ICD-10 I97.2 betreffe auch ein Lymphödem, so dass die Zuordnung zu der Gruppe I89… nicht zwingend sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.334,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15. Dezember 2009 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf das Ergebnis des MDK-Gutachtens. Sie hält die ICD-10 I89.0 für spezieller, da diese das Lymphödem ausdrücklich bezeichne.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. (U.B.) vom 17. November 2014. Dieser kommt zum Ergebnis, dass aufgrund des großen Aufwandes in der Diagnostik die Diagnose I197.8 abzurechnen sei. Die Diagnose I89.0 “Lymphödem, anderenorts nicht klassifiziert„ bilde die Operationsfolgen (Lymphozele im Bereich der linken Beckenwand mit konsekutivem Lymphödem am linken Bein, ein Harnstau der linken Niere sowie eine herabgesetzte Durchblutung der linken Niere) ab. Diese Leiden zählten zu den bekannten Folgen dieser Operation, wenngleich nicht zu ihrem regelhaften Verlauf. Für diese Nebendiagnose spräche auch der diagnostisch betriebene Aufwand.
Die Beklagte wendet sich gegen das Sachverständigengutachten, gestützt auf ein MDK-Gutachten vom 16. Dezember 2014. Die trägt vor, die Diagnose I97.8 sei für das Lymphödem weniger spezifischer als die Diagnose I89.0. Der Harnstau stelle keine Kreislauferkr...