Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zugehörigkeit zu einer berufsständischen Versorgung. angestellter Jurist in einem Versicherungsunternehmen. anwaltliche Tätigkeit. nebenberufliche Tätigkeit als freier Rechtsanwalt
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tätigkeit als angestellter Jurist in einem Versicherungsunternehmen erfüllt allein regelmäßig nicht die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6.
2. Die Befreiung von der Versicherungspflicht kann in diesem Fall in Betracht kommen, wenn eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt wird.
3. Die Befreiungsregelung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 kann nur tätigkeits- und nicht personenbezogen verstanden werden (vgl BSG vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 = BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12).
4. Durch die Aufnahme einer nebenberuflichen Tätigkeit als freier Rechtsanwalt entsteht kein Anspruch auf Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 für die abhängige Tätigkeit.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zusteht.
Die 1967 geborene Klägerin ist Volljuristin. Seit 1. Januar 2002 ist sie als Sachbearbeiterin in der Schadenabteilung bei der Versicherung J. GmbH & Co. KG (in der Folge: J. GmbH) beschäftigt bei einer Arbeitszeit von 40 Wochenstunden. Nach den Angaben der Arbeitgeberin in der Bescheinigung vom 4. April 2003 gehören zum Aufgaben- und Tätigkeitsbereich der Klägerin insbesondere die Bearbeitung von Schadensfällen und Leistungsfällen der Komposit-Versicherung. Die Tätigkeit umfasst danach die Prüfung der Sach- und Rechtslage, die Erstellung von Rechtsgutachten, die Besprechung und Verhandlung von Schadensfällen mit Rechtsanwälten, Behörden, Anspruchstellern, Vermittlern, Maklern und anderen dritten Personen, die Durchführung der Korrespondenz, die Festlegung und Auszahlung von Entschädigungsbeträgen, die Vertretung der Versicherungsnehmer und Versicherungsgesellschaften vor Gericht, die Führung von Prozessen, das Erstellen von Schriftsätzen, die Einleitung und Durchführung von Regressfällen. Mit Genehmigung vom 16. Mai 2002 gestattete die Arbeitgeberin der Klägerin die gleichzeitige Ausübung des Rechtsanwaltsberufes. Danach ist sie berechtigt, auch während der Dienststunden jederzeit nach eigenem Ermessen Gerichtstermine wahrzunehmen, eilige Schriftsätze zu fertigen und Telefongespräche zu führen sowie sonstige nicht aufschiebbare anwaltliche Tätigkeiten zu erledigen. Mit Bescheinigung vom 19. Juni 2003 bestätigte die Arbeitgeberin, dass die Klägerin seit 1. Januar 2002 als Syndikusanwältin tätig sei. Auf Nachfrage des Gerichts teilte die Arbeitgeberin der Klägerin mit Schreiben vom 27. Juli 2004 unter Wiederholung der Tätigkeitsbeschreibung vom 4. April 2003 ergänzend mit, dass die Klägerin seit Januar 2003 zusätzlich mit der Fertigung von Schriftsätzen im gerichtlichen Verfahren, insbesondere Klageerwiderungen und Stellungnahmen in PKH-Verfahren, mit der Bearbeitung von Betriebshaftpflichtschäden aus dem Bereich der Altenpflegeheime und mit der internen Beratung von Kollegen bei rechtlich schwierig gelagerten Schadensfällen, insbesondere aus dem Haftpflichtbereich, befasst sei.
Seit dem 20. Januar 2003 ist die Klägerin als Rechtsanwältin bei dem Amtsgericht K. und zugleich bei dem Landgericht L. zugelassen. Laut Bescheinigung der Beigeladenen, der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen, vom 17. April 2003 ist die Klägerin seit 29. Januar 2003 Mitglied der Kammer sowie seit diesem Zeitpunkt kraft Gesetzes Mitglied des Versorgungswerkes. Nach eigenen Angaben übt die Klägerin die freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwältin nur in einem geringfügigen Umfang aus. In den Jahren von 2003 bis 2007 hat sie nach eigenen Angaben etwa acht bis zehn Mandate übernommen. Werbung macht die Klägerin für ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin nicht, in den Gelben Seiten ist sie nicht verzeichnet. Die Klägerin zahlt nach eigenen Angaben den Mindestbeitrag an die Beigeladene in Höhe von etwa 100,00 EUR monatlich.
Am 17. April 2003 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 1. Februar 2003. Mit Bescheid vom 24. Mai 2003 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab mit der Begründung, die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Befreiung von der Versicherungspflicht könne nur für die jeweilige berufsspezifische rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgesprochen werden. In der Regel sei dies der Fall bei der Beschäftigung als angestellte Anwältin. Die Klägerin sei jedoch als Schadenssachbearbeiterin beschäftigt. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und führte aus, sie sei als Syndikusanwältin beschäftigt. Zugleich legte sie die entsprechende Bescheinigung ihrer Arbeitgeberin vor. Mit Widerspruchsbescheid vo...