Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. neue Behandlungsmethode. kein Anspruch auf Hyperthermiebehandlungen in Kombination mit Chemotherapie
Orientierungssatz
1. Hyperthermiebehandlungen im Zusammenhang mit parallel verlaufender Chemotherapie gehören nicht zu den durch die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu gewährenden Leistungen.
2. Az beim LSG Stuttgart: L 4 KR 3653/16
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten von Hyperthermiebehandlungen streitig.
Der 1942 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Rentner gesetzlich krankenversichert. Im Dezember 2013 wurde bei dem Kläger ein nicht kleinzelliges Lungenkarzinom im Mittellappen rechts und im Juni 2014 ein kleinzelliges Nierenkarzinom rechts, eine Adenokarzinommetastase der Leber und ein Prostatakarzinom festgestellt. Zusätzlich leidet er unter noch unter arterieller Hypertonie und Diabetes mellitus Typ 2. Ab dem Januar 2014 erhielt er den ersten Zyklus Chemotherapie. Im Juni 2014 wurde die rechte Niere entfernt und es erfolgte eine transurethrale Resektion der Prostata. Als Folge der Nephrektomie entwickelte sich eine chronische Niereninsuffizienz Stadium 3 bis 4 bei bereits vorbestehender chronischer Niereninsuffizienz und als Folge der Chemotherapie eine Anämie.
Am 03.09.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage der Therapieinformationen zur Hyperthermie der behandelnden X. Klinik die Kostenübernahme für eine Hyperthermiebehandlung. Die Hyperthermie könne sein Leben verlängern, es bestehe sogar die Möglichkeit, dass der Tumor ganz zurück gehe. Diese Chance wolle er unbedingt wahrnehmen.
Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein, welcher in seiner Stellungnahme vom 24.09.2014 zu dem Ergebnis kam, dass die Hyperthermie eine ärztlich geleitete Therapie mit technischen Leistungen sei, die bisher nicht in der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Die lokale und Ganzkörper-Hyperthermie sei bereits Gegenstand einer wissenschaftlichen Methodenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) gewesen. Es sei festgestellt worden, dass noch keine methodische Standardisierung der Hyperthermie bestehe, so dass Studien nur eingeschränkt vergleichbar seien. Abhängig vom Tumorstadium seien chirurgische Maßnahmen, Chemo- sowie Strahlentherapie Behandlungsoptionen. Der GBA sei zu dem Fazit gekommen, dass die bisher vorliegenden Studien keinen Nachweis eines therapeutischen Nutzens alleiniger oder begleitender Hyperthermie beim Bronchialkarzinom hätten erbringen können. Ein therapeutischer Nutzen, eine medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer alleinigen oder begleitenden Hyperthermiebehandlung sei nicht belegt.
Mit Bescheid vom 02.10.2014 lehnte die Beklagte daraufhin die Kostenübernahme ab. Der GBA habe die Ganzkörperhyperthermie / Lokale Hyperthermie nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen. Der MDK habe ausgeführt, dass die Kriterien für eine Kostenübernahme im Rahmen einer Einzelfallentscheidung nicht erfüllt seien. Es stünden Behandlungsalternativen zur Verfügung.
Die Ehefrau des Klägers teilte mit Mail vom 02.10.2014 der Beklagten mit, gegen den Bescheid Widerspruch einzulegen. Der Kläger legte noch Berichte der behandelnden X. Klinik vom 11.06.2014, 24.06.2014, 09.07.2014 und 09.09.2014 sowie den Computertomografie-Befund (CT) vom Thorax nativ vom 22.08.2014 vor.
Daraufhin holte die Beklagte erneut eine Stellungnahme des MDK ein. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 30.10.2014 aus, beim Kläger liege eine lebensbedrohliche und regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor. Alle wissenschaftlichen Therapieansätze zur Behandlung des Lungenkarzinoms im aktuellen Tumorstadium des Klägers seien nicht auf Heilung, sondern auf Palliation und Lebensverlängerung ausgerichtet. Eine Chemotherapie sei beim Kläger bereits durchgeführt worden und habe zu einer ausgeprägten Schleimhautentzündung im Mund geführt. Es stünden jedoch verschiedene Chemotherapieschemata zur Verfügung. Weder in der nationalen S3 Versorgungsleitlinie noch in der amerikanischen NCCN-Leitlinie werde Hyperthermie für die Therapie von Lungenkarzinomen auch nur erwähnt. Zusammenfassend ergäben sich keine neuen Erkenntnisse für Wirksamkeit und Nutzen der beantragten, von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossenen Leistung. Wissenschaftliche Belege für eine Wirksamkeit der hier eingesetzten kapazitativen Hyperthermie gebe es bisher nicht. Es gebe bisher keinen Nachweis, dass bei der eingesetzten Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf vorliege.
Der Kläger stellte am 31.10.2014 beim Sozialgericht Stuttgart Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 23 KR 5862/14 ER) und legte am 05.11.2014 no...