Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
I. Einleitung
Rz. 95
Nach spanischem Rechtsverständnis handelt es sich bei den erbrechtlichen Bestimmungen um eine der "verschiedenen Arten, das Eigentum zu erwerben" – so der Titel des 3. Buches des Código Civil (Art. 609–1087 CC). Anders als nach deutschem Recht wird nach der Systematik des CC vorrangig auf den testamentarisch geäußerten Willen des Erblassers (Art. 658 CC) abgestellt. So finden sich zunächst Regeln über die testamentarische Erbfolge (Art. 662–743 CC), sodann die über die Berücksichtigung u.a. der Noterbteile (Pflichtteilsrechte) wie auch die Möglichkeit der Enterbung und erst im Weiteren die gesetzliche Erbfolge (Art. 912–929 CC). Trotz dieser Wertung des spanischen Gesetzgebers wird nachfolgend – vor allem ausgehend vom deutschen Verständnis – die Darstellung der gesetzlichen der testamentarischen Erbfolge vorangestellt.
II. Gesetzliches Erbrecht (sucesión intestada)
1. Grundsätze
Rz. 96
Wie das deutsche sieht auch das spanische Recht die Gesamtrechtsnachfolge vor, es gilt der Grundsatz der Universalsukzession (Art. 661 CC). Zur gesetzlichen Erbfolge kommt es nur dann, wenn einer der Gründe des Art. 912 CC gegeben ist, bspw. wenn der Erblasser ohne oder ohne gültiges Testament verstirbt, das Testament keine Erbeinsetzung enthält oder der berufene Erbe erbunwürdig ist.
2. Erbfähigkeit
Rz. 97
Erbfähig sind natürliche und juristische Personen. Um Erbe – ob testamentarischer oder gesetzlicher – werden zu können, darf die natürliche Person gem. Art. 744 CC vom Gesetz nicht für erbunfähig erklärt worden sein. Dies sind nach Art. 745 Nr. 1 CC zunächst die "lebensunfähigen Frühgeburten" (criaturas abortivas), also solche, die vor vollständiger Entnahme aus dem Mutterleib verstorben sind. Demgegenüber sind erbfähig diejenigen, die nach vollständiger Entnahme aus dem Mutterleib leben (Art. 30 CC). Erbunfähig sind des Weiteren vom Gesetz nicht erlaubte Vereinigungen oder Körperschaften; im Übrigen können juristische Personen gemäß der Satzung und den Gesetzen Vermögen jeder Art erwerben (Art. 38 CC).
Rz. 98
Neben diesen Formen absoluter Erbunfähigkeit sind in bestimmten Fällen testamentarische Verfügungen unwirksam (relative Erbunfähigkeit). So kann nach Art. 752 CC der Priester, der dem Erblasser während dessen letzter Krankheit die Beichte abgenommen hat, nicht Erbe werden, falls der Testator während der Krankheit testiert hat, ebenso wenig die Verwandten des Geistlichen bis zum vierten Grad, seine Kirche, sein Kapitel, seine Gemeinde oder seine Anstalt. Unwirksam ist auch eine letztwillige Verfügung zugunsten des Vormunds oder Pflegers (es sei denn, dieser ist Verwandter in gerader aufsteigender Linie, Abkömmling, Geschwister oder Ehegatte des Erblassers, Art. 753 CC), die vor der Beendigung des Amtes getroffen worden ist. Auch sind testamentarische Begünstigungen unwirksam, die Personen, die sich in einer Pflegeeinrichtung befinden, zugunsten des Inhabers, der Geschäftsführung oder der angestellten Pflegekräfte oder der Pflegeeinrichtung selbst verfügen. Andere natürliche Personen, die Hilfe- oder Pflegeleistungen erbringen, können bedacht werden, wenn die letztwillige Verfügung in offenem notariellen Testament errichtet wird. Die Verfügungen, mit denen ein in gesetzlicher Erbfolge erbberechtigter Betreuer, Pfleger oder eine Person, die Hilfsleistungen erbringt, bedacht wird, sind hingegen wirksam. Nach Art. 754 Abs. 1 CC darf auch nicht zugunsten des Notars, der das Testament beurkundet hat, verfügt werden, auch nicht zugunsten dessen Ehegatten, seiner Verwandten oder Verschwägerten bis zum vierten Grad. Wirksam ist das Vermächtnis eines beweglichen Gegenstands oder von Geld, wenn der Wert der Zuwendung in Relation zum Nachlass gering ist (Art. 682 CC). Das Verbot gilt auch für die Zeugen des offenen Testaments und die Personen, vor denen Sondertestamente errichtet werden (Art. 754 Abs. 2 bzw. 3 CC). Im Falle relativer Erbunfähigkeit tritt statt der unwirksamen gewillkürten die gesetzliche Erbfolge ein.
3. Erbunwürdigkeit
Rz. 99
Artikel 756 CC nennt Fälle von Erbunwürdigkeit. Die Verwirklichung eines der gesetzlichen Tatbestände hat ipso iure die Erbunfähigkeit zur Folge – sowohl bei testamentarischer als auch bei gesetzlicher Erbfolge.
Rz. 100
Nach Art. 756 Abs. 1 CC sind Personen erbunwürdig, die rechtskräftig wegen eines Angriffs auf das Leben oder zu einer schweren Strafe wegen Verletzungen oder wegen fortlaufend ausgeübter physischer oder psychischer Gewalt gegen den Erblasser...