Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Rdn 635
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → StrEG-Entschädigung, Allgemeines, Teil I Rdn 281.
Rdn 636
1. § 6 StrEG enthält eine Auffang- und Spezialregelung. Ist eine Entschädigung nicht nach § 5 StrEG ausgeschlossen, kann sie nach § 6 StrEG versagt werden (OLG Düsseldorf MDR 1988, 887). Die Ermessensvorschrift enthält mithin Auffangtatbestände für Fälle, die sich nicht unter § 5 StrEG subsumieren lassen, in Abs. 2 bei Anwendung von Jugendstrafrecht einen Spezialfall zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 StrEG. Ein mindestens grob fahrlässiges Verhalten des Verfahrensbetroffenen führt stets zum Entschädigungsausschluss nach § 5 StrEG (BGHSt 29, 168 = MDR 1980, 417). Zur Versagung der Entschädigung nach § 6 StrEG reicht einfache Fahrlässigkeit aus (Meyer, StrEG, § 6 Rn 7). Im Gegensatz zu § 5 StrEG ist nach § 6 StrEG auch eine nur Teilversagung der Entschädigung mit der Folge einer Quotelung) möglich. Im Verhältnis zu § 4 StrEG ist § 6 StrEG lex specialis (OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 159 m.w.N.).
Rdn 637
2. Die in § 6 Abs. 1 StrEG enthaltenen Tatbestände sind bezüglich der Voraussetzungen, die zu einer Versagung der Entschädigung führen können, weitgehend der Auslagenregelung des § 467 Abs. 3 S. 2 StPO nachgebildet (Meyer-Goßner/Schmitt, § 6 StrEG Rn 2). Dort fehlt lediglich das in § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG normierte Handeln des Beschuldigten im Zustand der Schuldunfähigkeit. Soweit die Tatbestände sich decken, kann für die Auslegung des § 6 Abs. 1 StrEG ergänzend auf die Kommentierung zu § 467 StPO verwiesen werden. Während der Angeklagte nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StPO durch sein Verhalten die Erhebung der öffentlichen Klage veranlasst haben muss, verlangt § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG, dass der Beschuldigte durch seine Verhaltensweise die Strafverfolgungsmaßnahme herbeigeführt hat. In § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StPO muss der Angeklagte, um die Anklageerhebung zu veranlassen, durch sein tatbestandsmäßiges Handeln (Unterlassen) den Tatverdacht gegen sich begründet oder bestärkt haben. Durch eine solche Begründung oder Bestärkung des Tatverdachts kann der Beschuldigte zwar nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 StrEG ebenfalls die Anordnung, den Vollzug und/oder dessen Fortdauer der Strafverfolgungsmaßnahme herbeiführen; er kann die Maßnahme jedoch auch dadurch auslösen, dass er durch sein Verhalten nicht den Tatverdacht selbst begründet/bestärkt, sondern eine spezielle, strafprozessuale Voraussetzung für die Verfolgungsmaßnahme oder die Fortdauer ihres Vollzugs geschaffen, etwa durch sein unwahres Vorbringen den Verdacht der Flucht (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) begründet hat.
Rdn 638
3. Anders als in § 5 StrEG kann das Gericht auch eine teilweise Entschädigung des Verfahrensbetroffenen anordnen. Dies liegt insbesondere in Fällen nahe, in denen die Kausalität zwischen dessen Verhalten und dem Vollzug der Verfolgungsmaßnahme zu irgendeinem Zeitpunkt entfallen ist (Kunz, StrEG, § 6 Rn 39 m.w.N.). So hat der BGH Entschädigung nur für den Teil der Untersuchungshaft zugesprochen, die der Verurteilte nach Verkündung des angefochtenen Urteils verbüßt hat, in dem über die Frage des Strafklageverbrauchs auf Einwand der Verteidigung ausdrücklich entschieden wurde (BGH NJW 1989, 726).
Siehe auch: → StrEG-Entschädigung, Allgemeines, Teil I Rdn 280 m.w.N.; → StrEG-Entschädigung, Versagung, Aussageverhalten, Teil I Rdn 639; → StrEG-Entschädigung, Versagung, JGG-Verfahren, Teil I Rdn 651; → StrEG-Entschädigung, Versagung, Nichtverurteilung, Teil I Rdn 657.