Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachverständigenentschädigung. Zusatzgutachten ohne Beweisanordnung
Leitsatz (redaktionell)
Überträgt ein nach § 109 SGG vom Gericht bestellter Sachverständiger einem vom Gericht nicht beauftragten Dritten die Erstellung eines Zusatzgutachtens, ist das Zusatzgutachten im gerichtlichen Verfahren nicht verwertbar und die Kosten sind nicht erstattungsfähig. Dies gilt auch dann, wenn das Zusatzgutachten zunächst vom Gericht an die Beteiligten versandt wurde. Eine (nachträgliche) Genehmigung oder die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes ist hierin nicht zu sehen.
Normenkette
SGG §§ 109, 118; ZuSEG § 3 Abs. 1; ZPO § 407a Abs. 2
Tenor
Die Entschädigung des Antragsgegners für das Gutachten vom 17. Juni 2002 wird auf 0,00 Euro festgesetzt. Er hat 317,50 Euro an die Staatskasse zu erstatten.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Tatbestand
I.
Mit Beweisanordnung vom 12. Dezember 2001 beauftragte die Berichterstatterin des 1. Senats des Thüringer Landessozialgerichts in dem Berufungsverfahren J. H. ./. Bau-Berufsgenossenschaft Frankfurt/Main (Az.: L 1 U 383/01) Dr. B. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Unter dem 16. Januar 2002 beantragte dieser die Einholung von folgenden Zusatzgutachten: orthopädisches Gutachten durch Prof. Dr. P., neurologisches Gutachten durch Dr. F., radiologisches Zusatzgutachten durch Dr. R. Mit Beweisanordnung vom 5. Februar 2002 änderte der Berichterstatter des 1. Senats die Beweisanordnung vom 12. Dezember 2001 dergestalt ab, dass die vorgeschlagenen Ärzte mit der Erstellung der Zusatzgutachten beauftragt wurden.
Am 14. Juni 2002 gingen beim 1. Senat Kopien von Anschreiben des Dr. B. vom 12. Juni 2002 an mehrere Ärzte ein, u.a. an den Antragsgegner, in dem er ihn um ein orthopädisches Zusatzgutachtens inklusive diverser Untersuchungen bat. Unter dem 17. Juni 2002 erstattete dieser ein orthopädisches Zusatzgutachten. In der Rechnung vom 17. Juni 2002 berechnete er 317,50 Euro, die ihm der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Verfügung vom 29. April 2003 anwies.
Mit Verfügung vom 9. Juni 2004 teilte der nunmehr zuständige Berichterstatter des 1. Senats den Verfahrensbeteiligten mit, eine gerichtliche Beauftragung des Antragsgegners sei nicht erfolgt. Daher könne das Gutachten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25. Oktober 1989 – Az.: 2 RU 38/89) nicht verwertet werden. Auf Antrag des Klägers beauftragte er den Antragsgegner mit Verfügung vom 27. Oktober 2004 erneut mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens und informierte ihn über die Unverwertbarkeit des Gutachtens vom 17. Juni 2002. Unter dem 20. Januar 2005 erstellte dieser ein neues orthopädisches Gutachten aufgrund einer erneuten Untersuchung des Klägers. Seine Kostenrechnung über 300,00 Euro wies der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle unter dem 31. März 2005 an.
Unter dem 4. Mai 2005 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dem Antragsgegner mitgeteilt, ein Erstattungsanspruch über die angewiesenen 317,50 Euro habe mangels Beauftragung nicht bestanden; er bitte daher um Rückerstattung. Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 9. September 2005 erwidert, seine Beauftragung sei durch Dr. B. erfolgt. Da er die Arbeit geleistet habe und somit Kosten entstanden seien, sei eine Rückerstattung nicht möglich. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle solle sich mit dem Auftraggeber des Zusatzgutachtens in Verbindung setzen.
Am 7. Dezember 2005 hat der Antragsteller dem erkennenden Senat mitgeteilt, eine Entschädigung für das Gutachten sei mangels Beauftragung ausgeschlossen.
Er beantragt,
die Entschädigung des Antragsgegners für das Gutachten vom 17. Juni 2002 auf 0,00 Euro festzusetzen.
Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist nach § 16 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) zulässig. Dass § 25 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) für die Weitergeltung des ZuSEG darauf abstellt, ob der Auftrag vor dem 1. Juli 2004 erteilt worden ist (was hier gerade im Streit steht), ist unerheblich; das Gutachten wurde jedenfalls vor diesem Datum erstellt.
Der Antragsgegner hat keinen Anspruch auf Sachverständigenentschädigung nach den §§ 3 Abs. 1, 1 ZuSEG.
Nach § 3 Abs. 1 ZuSEG werden Sachverständige für ihre Leistung entschädigt. Der Entschädigungsanspruch setzt nach § 1 ZuSEG voraus, dass der Sachverständige vom Gericht zu Beweiszwecken herangezogen worden ist und ein schriftliches Gutachten auf Grund der Anordnung eines Gerichts erstellt wurde (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. September 2004 – Az.: L 6 SF 429/04, 8. Juli 2004 – Az.: L 6 B 8/04 SF in: MedSach 2004, 208 und 8. Februar 2000 – Az.: L 6 B 60/99 SF in: E-LSG B-171). Nachdem der Berichterstatter des 1. Senats des Thüringer Landessozialgerichts in der Beweisanordnung vom 5. Februar 2002 ausdrücklich Prof. Dr. P. mit der Erstellung des orthopädischen Zusatzg...