Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Umzug eines jungen Erwachsenen in eigene Wohnung anläßlich der Kündigung der Wohnung der Bedarfsgemeinschaft. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Der Begriff des Umzugs in § 22 Abs 2a SGB 2 idF vom 20.7.2006 erfasst jedenfalls nicht die Fälle, in denen junge Hilfebedürftige als Teil der elterlichen Bedarfsgemeinschaft mit dieser umziehen. Liegt also kein Umzug iS von § 22 Abs 2a SGB 2 vor, wenn die Bedarfsgemeinschaft anlässlich einer Kündigung ihrer Wohnung umzieht und eine neue, gemeinsame Wohnung nimmt, so kann nichts anderes gelten, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, welches unter 25 Jahre ist, in einem solchen Fall eine eigene Wohnung nimmt.
2. Eine Einschränkung des Freizügigkeitsrechts nach Art 11 Abs 2 GG enthält das SGB 2 lediglich im Hinblick auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen man die Bedarfsgemeinschaft verlassen kann, nicht aber, wo die Bedarfsgemeinschaft begründet werden muss.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 19. Juli 2006 wird aufgehoben. Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gotha - S 31 AS 1847/06 - unter Beiordnung von Rechtsanwältin C. R., S., ohne Ratenzahlung bewilligt.
Gründe
I.
Die 1986 geborene Klägerin wohnte bis zum 31. März 2006 in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter P. und ihrer Schwester S. in dem Haus der Großeltern. Bereits unter dem 27. Januar 2006 teilte die "Allgemeine Immobilien 24-Beratungsgesellschaft mbH" mit, dass die Liegenschaft im Auftrag des Eigentümers veräußert werden solle. Bei Verkauf müsse die Klägerin die Wohnung räumen. Nach notariellem Kaufvertrag vom 22. März 2006 erfolgte unter dem 23. März 2006 die Kündigung des Mietvertrages zum 30. Juni 2006. Es wurde gebeten, die genutzten Räumlichkeiten spätestens bis zum 15. Juni 2006 zu räumen.
Die Klägerin mietete mit Mietvertrag vom 28. März 2006 ab dem 1. April 2006 eine 38 Quadratmeter große Dachgeschosswohnung in W. mit einer Grundmiete von 133,00 € und einer Warmmiete von 220,60 € an. Die Mutter der Klägerin teilte der Beklagten am 28. März 2006 mit, dass sie selbst wahrscheinlich nach E. ziehen werde. Am selben Tage stellte sie einen Antrag auf Umzugskosten für sich und ihre Tochter S. und legte am 11. April 2006 einen Kostenvoranschlag der Autovermietung H. vom selben Tage vor. Am 11. April 2006 teilte die Mutter mit, sie werde am 1. Mai 2006 nach E. in die R. Straße umziehen. Sie wohnt heute in einer Einraumwohnung in E. in der M. Straße mit 39,17 Quadratmetern.
Mit Änderungsbescheid vom 28. April 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab 1. April 2006 bis zum 30. Juni 2006 unter Berücksichtigung eines Einkommens (Kindergeld, Unterhalt und Leistungen nach dem Bafög) in Höhe von 247,60 € eine monatliche Regelleistung in Höhe von 53,40 €. Kosten für Unterkunft und Heizung wurden unter Hinweis auf § 22 Abs. 2 a SGB II abgelehnt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 2006 zurückgewiesen. Zwar seien die Kosten für die Unterkunft hinsichtlich der neuen Wohnung angemessen. Mangels Zusicherung nach § 22 Abs. 2 a SGB II seien diese Kosten jedoch nicht zu übernehmen. Ein Härtefall liege nicht vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 19. Juni 2006 Klage erhoben und beantragt, ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin R. zu bewilligen.
Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 10. Juli 2006 abgelehnt. Gegen den am 14. Juli 2006 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 14. August 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Dass die Klägerin aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen, ergibt sich aus der von ihr im Klageverfahren vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
Die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche Erfolgsaussicht liegt ebenfalls vor. Die Rechtsverfolgung ist dann hinreichend erfolgversprechend, wenn das Gericht nach vorläufiger summarischer Prüfung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers zumindest für vertretbar und unter Berücksichtigung auch des gegnerischen Vorbringens den Prozesserfolg für wahrscheinlich hält, wobei eine überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich ist. Infolgedessen reicht zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit (vgl. Kalthoehner/Bü...