Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenerstattung. Schlaflaboruntersuchung. eigenständige Geltendmachung der Kosten durch Klinik nur bei Heranziehung oder Abtretung des Anspruchs durch ernannten Sachverständigen. unklare richterliche Verfügung. Empfängerhorizont
Leitsatz (amtlich)
1. Einen Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Staatskasse kann eine Klinik, in der eine Schlaflaboruntersuchung des Klägers durchgeführt wurde, nur dann geltend machen, wenn sie entweder selbst iS des § 1 Abs 1 S 1 JVEG "herangezogen" oder ihr der Anspruch des ernannten Sachverständigen abgetreten wurde.
2. Bei einer inhaltlich unklaren richterlichen Verfügung ist grundsätzlich auf den Empfängerhorizont abzustellen (vgl LSG Erfurt vom 17.9.2003 - L 6 B 35/03 SF).
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. August 2010 aufgehoben und die an die Beschwerdegegnerin zu zahlenden Kosten auf 0,00 Euro festgesetzt. Die Beschwerde der Beschwerdegegnerin wird zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
In dem Klageverfahren U. V. ./. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft - Bahn - See (Az.: S 20 R 1434/06) beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers unter dem 29. Oktober 2007 die Einholung eines Gutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bei dem Chefarzt der orthopädischen Klinik der K. M. GmbH Dr. B.. Mit Beweisanordnung vom 30. November 2007 ordnete das Sozialgericht die Begutachtung aufgrund ambulanter Untersuchung an. Unter dem 5. Dezember 2007 ersuchte der Kammervorsitzende den Sachverständigen, mit der Begutachtung bis zum Eingang des angeforderten Vorschusses (1.000,00 Euro) abzuwarten und bat ihn nach der Einzahlung mit Verfügung vom 18. Dezember 2007, die Beweisanordnung auszuführen. Unter dem 28. Februar 2008 teilte Dr. B. mit, er halte ein neurologisches Zusatzgutachten zum Ausschluss eines sog. "Restless legs-Syndroms" für erforderlich. Die hierfür notwendigen Zusatzkosten beliefen sich auf ca. 2.100,00 Euro und setzten sich aus einer zweimaligen Schlaflaboruntersuchung sowie der neurologischen Begutachtung zusammen; im Zustimmensfall seien sie bereit, kurzfristig einen Termin für die orthopädische und die neurologische Begutachtung zu vergeben. Nachdem der Vorschuss eingegangen war, verfügte der Kammervorsitzende unter dem 17. April 2008 folgendes Schreiben an den Sachverständigen: "Bezug nehmend auf Ihr Schreiben vom 28.2.2008 wird mitgeteilt, dass die Kosten für die angeregte neurologische Zusatzbegutachtung bis zur Höhe von 2100 € dem Grunde nach erstattet werden können".
Die stationäre Aufnahme des Klägers erfolgte am 28. Juli 2008. In dem Gutachten des Dr. B. vom 4. September 2008 sind folgende Untersuchungsdaten angegeben: orthopädische Begutachtung am 30. Juli 2008, Schlaflaboruntersuchung vom 28. bis 30. Juli 2008 (stationäre Untersuchung). Blatt 15 des Gutachtens enthält folgenden Passus: "b) Im Übrigen konnte bei Herrn V. durch die Schlaflabor-Untersuchung ein Restless-legs-Syndrom diagnostiziert werden. Durch den beurteilenden Neurologen wurde dem Hausarzt des Begutachteten eine entsprechende Medikationsempfehlung erteilt." Ein neurologisches Gutachten ist beim Sozialgericht nicht eingegangen. Mit Urteil vom 4. Dezember 2008 wies dieses die Klage ab.
Am 1. September 2008 gingen beim Sozialgericht eine Endabrechnung der Beschwerdegegnerin vom 28. August 2008 über 2.115,26 Euro und am 15. September 2008 eine Liquidation des Dr. B. vom 4. September 2008 über 879,11 Euro ein. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) verfügte am 8. Januar 2009 die Zahlung von 879,11 Euro an Dr. B.. Unter dem 27. Januar 2009 vertrat sie gegenüber der Beschwerdegegnerin die Ansicht, allein der ernannte Sachverständige Dr. B. habe einen Anspruch auf Vergütung. Stelle eine andere Person eine Rechnung, habe er seinen Anspruch gegenüber dem Rechnungssteller abzutreten. Im Übrigen sei die Rechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) aufzuschlüsseln. Unter dem 28. April 2009 trat Dr. B. "die Vergütungsansprüche für die neurologische Zusatzbegutachtung" an die Beschwerdegegnerin ab. Diese führte aus, sie habe die erbrachten Leistungen nach dem deutschen Fallpauschalensystem - Diagnosis Related Groups (DRG) - abgerechnet, denn der Kläger sei zur Erstellung eines neurologischen Gutachtens aufgenommen worden. Unter dem 24. Juni 2009 erläuterte die UKB, aufgrund der Abtretung des Dr. B. finde das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) Anwendung. Eine Abrechnung im Rahmen des Fallpauschalensystems sei allerdings ausgeschlossen, da hier im Rahmen der Pauschalierungen Leistungen abgerechnet werden könnten, die ggf. tatsächlich nicht erbracht wurden. Ggf. komme eine analoge Anwendung der GOÄ in Betracht. Die Beschwerdegegnerin bat daraufhin um Begleichung ihrer Rechnung bis 26. August 2009; sei keine Entscheidung zu ihren Gunsten möglich, beantrage sie die richterliche Festsetzung. Unter dem 28. September 2009 ...