Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenentschädigung. gerichtliche Festsetzung gem § 4 Abs 1 JVEG. Zeitpunkt der gerichtlichen Ernennung. keine analoge Anwendung des § 45 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
1. Die Sachverständigenernennung (oder Abänderung) muss immer vor der Gutachtenserstattung stattfinden (vgl BSG vom 25.10.1989 - 2 RU 38/89 = VdKMitt 1989, Nr 12, 16-17 und vom 28.3.1984 - 9a RV 29/83 = SozR 1500 § 128 Nr 24; LSG Erfurt vom 8.7.2004 - L 6 B 8/04 SF = MEDSACH 2004, 208-209 und vom 2.5.2000 - L 6 B 61/99 SF).
2. Die Kenntnis der einschlägigen ZPO-Vorschriften, insbesondere des § 407a Abs 2 S 1 ZPO wird von jedem Sachverständigen erwartet.
3. Eine innerhalb der Fristen des § 2 Abs 4 JVEG geltend gemachte Erstattung erfordert keine zusätzliche gesetzliche Grundlage. Eine analoge Anwendung des § 45 SGB 10 bzw des § 48 ThürVwVfG kommt mangels Lücke nicht in Betracht (entgegen LSG München vom 12.9.2012 - L 15 SF 327/10 B E = NZS 2013, 120).
Orientierungssatz
Wird von dem Gutachtenserstatter ein Antrag nach dem JVEG gestellt, ist unabhängig von der Berechtigung des Anspruchs immer die gerichtliche Festsetzung zulässig, ob und ggf in welcher Höhe ein Anspruch besteht und zwar in allen Fällen des § 4 Abs 1 S 1 JVEG. Möglich ist dies auch nach der Auszahlung, zB wenn sich der Gutachtenserstatter gegen eine Rückforderung wehrt, die Staatskasse dies beantragt oder der zuständige Richter von Amts wegen tätig wird.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 30. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
In dem Klageverfahren R. M../. Deutsche Rentenversicherung (Az.: S 17 R 2996/08) beauftragte der Vorsitzende der 17. Kammer des Sozialgerichts Altenburg mit Beweisanordnung vom 18. März 2009 Chefarzt Z. von der ...klinik L. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens aufgrund ambulanter Untersuchung. Blatt 4 enthält folgenden Absatz: "Der Sachverständige wird beauftragt, von ...klinik L. Dr. G. - Orthopäde, …..-Straße ,… L. ein Zusatzgutachten einzuholen und dieses im Rahmen einer zusammenfassenden Würdigung in die Beantwortung der Beweisfragen einzubeziehen. Auch dieser Arzt wird zum Sachverständigen ernannt. Die vorgenannten Auflagen gelten auch für Zusatzgutachter."
Dem am 25. Mai 2009 beim Sozialgericht eingereichten Antrag der Klägerin auf Erstattung von Fahrtkosten für die Fahrt von ihrem Wohnort nach L. war ein Formular "Bescheinigung des Gutachters" vom 20. Mai 2009 angeheftet. Es enthält unter einer Bestätigung, dass die Klägerin am 20. Mai 2009 von 9:30 bis 14:00 Uhr untersucht wurde, den Stempelaufdruck "…klinik Dr. med. T. G., FA für Orthopädie/Unfallchirurgie/Sportmedizin" und eine unleserliche Paraphe.
Am 29. Juni 2009 ging beim Sozialgericht ein "Fachorthopädisches Zusatzgutachten für das Sozialgericht Altenburg" vom 18. Juni 2009 ein. Es ist von dem Beschwerdeführer unterzeichnet. Sein Briefkopf entfällt u.a. folgenden Zusatz: "Facharzt für Orthopädie F., unabhängiger medizinischer Gutachter zugelassener Sachverständiger am Landes-Sozialgericht Thüringen in Erfurt". Das Gutachten enthält auf Blatt 2 folgenden Vermerk: "Mit Beweisanordnung vom 18.03.2009 wurde ich, Herr Dr. med. J., FA für Orthopädie in Vertretung des Herrn Dr. med. G., FA für Orthopädie L., zum Sachverständigen-Zusatzgutachter Orthopädie beauftragt." Am 15. Juli 2009 ging das psychosomatisch-psychotherapeutische Gutachten des Sachverständigen Z. "unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens im Fachgebiet Orthopädie" ein. Der Vorsitzende der 17. Kammer verfügte am 17. Juli 2009 die Versendung beider Gutachten an die Beteiligten.
Am 29. Juni 2009 ging beim Sozialgericht die Kostenrechnung des Beschwerdeführers über insgesamt 1.023,75 Euro ein. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) verfügte am 20. Juni 2009 die Überweisung von 973,75 Euro.
Nachdem sich die Beklagte gegen die Leistungseinschätzung des Beschwerdeführers gewandt und als nicht nachvollziehbar eingeschätzt hatte, verfügte der Kammervorsitzende am 24. August 2009 die Aufhebung der Ernennung des Dr. G. zum Sachverständigen und ordnete die Einholung eines weiteren orthopädischen Gutachtens durch Dr. N. an. Die Anschreiben an die Verfahrensbeteiligten vom 30. September 2009 enthalten folgenden Zusatz: "Das orthopädische Gutachten des Herrn Dr. J. weist aus meiner Sicht so schwer wiegende Mängel auf, dass es nicht verwertbar ist. Zudem ist Herr Dr. J. nicht zum Sachverständigen ernannt worden. Eine erneute Begutachtung ist daher leider unvermeidlich." Mit Verfügung vom gleichen Tag wies die UKB den Beschwerdeführer darauf hin, dass seine Bestellung zum Sachverständigen nicht erfolgt war und das Gutachten damit nicht verwertbar sei. Die Vergütung in Höhe von 973,75 Euro sei bis zum 15. Oktober 2010 zurück zu zahlen.
Unter dem 5. Oktober 2009 teilte der Beschwerdeführer mit, er sei als "klinikintern benannter Zusatzbegutachter" nicht bereit, die Ver...