Entscheidungsstichwort (Thema)
Unverschuldete Säumnis bei nicht rechtzeitiger Entscheidung über Verfahrenskostenhilfegesuch
Leitsatz (amtlich)
Der verfahrenskostenhilfebedürftige Rechtsmittelführer auch dann an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels gehindert ist, wenn er ein wegen bestehenden Anwaltszwangs unzulässiges persönliches Rechtsmittel eingelegt und dafür Verfahrenskostenhilfe beantragt hat.
Das durch Bedürftigkeit begründete Unvermögen einer Partei, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung (§ 114 Abs. 1 FamFG) zur Vornahme von fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, wozu die Einreichung der Einspruchsschrift (§§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 340 Abs. 1 ZPO) zählt, stellt grundsätzlich kein Verschulden des Beteiligten dar.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Verfahrenskostenhilfeunterlagen nicht vollständig eingereicht worden sind. Hierauf hätte das Gericht rechtzeitig hinweisen müssen.
Normenkette
ZPO § 514 Abs. 2, § 340 Abs. 1; FamFG § 538 Abs. 2 Nr. 6; ZPO § 117 Abs. 2; FamFG § 114 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Erfurt (Beschluss vom 20.06.2016; Aktenzeichen 33 F 225/16) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Erfurt vom 20.06.2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das AG - Familiengericht - Erfurt zurückverwiesen.
II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
III. Der Antragstellerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin bewilligt.
IV. Dem Antragsgegner wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt bewilligt.
Gründe
I. Die Antragstellerin beantragte mit Antrag vom 26.02.2016, vertreten durch ihre gesetzliche Vertreterin, den Antragsgegner zu verpflichten, ab März 2016 den Mindestunterhalt in Höhe von 100 % zu zahlen und ihr für dieses Verfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.
Im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahrens teilte der Antragsgegner gegenüber dem Gericht mit, dass er Verfahrenskostenhilfe seinerseits beantrage und er aufgrund seines aktuellen Einkommens nicht zur Zahlung von Unterhalt in der Lage sei, da sein Einkommen unterhalb des Selbstbehaltes von 1.080,- EUR liege.
Nach Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für die Antrag ordnete das AG Erfurt mit Verfügung vom 15.04.2016 das schriftliche Vorverfahren an. Nachdem der Antragsgegner die Absicht der Verteidigung binnen der ihm gesetzten Notfrist von 2 Wochen nicht erklärt und sich auch nicht anderweitig am Verfahren beteiligt hatte, erließ das AG am 24.05.2016 einen Versäumnisbeschluss gegen den Antragsgegner, in dem dieser ab März 2016 zur Zahlung des monatlichen Mindestunterhalts von 100 % in der 2. Altersstufe und ab Dezember 2018 von 100 % des Mindestunterhalts in der 3. Altersstufe jeweils abzüglich des hälftigen Kindergeldes an die Antragstellerin verpflichtet wurde.
Der Beschluss des AG Erfurt enthielt eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung und den Hinweis, dass in dem vorstehenden Verfahren Anwaltszwang herrscht. Er wurde dem Antragsgegner am 27.05.2016 zugestellt.
Mit Schreiben vom 29.05.2016, eingegangen beim AG am 01.06.2016, legte der Antragsgegner persönlich "Widerspruch gegen das Versäumnisurteil vom 24.05.2016" ein. In diesem Schreiben führte an, er habe Prozesskostenhilfe beantragt. Sobald er einen endgültigen Bescheid über die Prozesskostenhilfe erhalten habe, werde sich dann ein von ihm beauftragter Rechtsanwalt mit dem Gericht in Verbindung setzen.
Das AG wies den Antragsgegner noch im Rahmen der laufenden Einspruchsfrist darauf hin, dass ein wirksamer Einspruch nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden könne. Diese Rechtsanwalt könne und müsse dann selbst einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für den Antragsgegner stellen. Der Einspruch müsse bis spätestens 10.06.2016 bei Gericht eingegangen sein.
Da bis zum 20.06.2016 kein weiterer Eingang seitens des Antragsgegners zu verzeichnen war, erließ das AG Erfurt den angefochtenen Beschluss vom 20.06.2016, in dem der Einspruch des Antragsgegners gegen den Versäumnisbeschluss vom 24.05.2016 als unzulässig verworfen wurde, da der Einspruch des Antragsgegners nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form, d.h. durch ein Rechtsanwalt, eingelegt worden sei.
Über den Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe hat das AG Erfurt bisher nicht entschieden.
Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 24.06.2016, eingegangen beim AG Erfurt am selben Tage, legte der Antragsgegner gegen den am 24.05.2016 ergangenen Versäumnisbeschluss das Rechtsmittel der Beschwerde ein und beantragte, den Versäumnisbeschluss dahingehend abzuändern, dass der Antragsgegner keinen Unterhalt ab März 2016 an die Antragstellerin zu zahlen hätte. Zur Begründung führt er aus, er sei aufgrund seiner Einkünfte nicht i...