Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Notwendigkeit einer Aufklärung über alternative Behandlungsmethoden
Leitsatz (amtlich)
1. Kern der Aufklärung eines Patienten ist die Behandlungsaufklärung; d.h. die Erläuterung des Arztes über die Art der konkreten Behandlung (Medikation, Operation). Als Nebenpflicht des Behandlungsvertrages erfordert sie auch die Erläuterung der Tragweite des beabsichtigten Eingriffs.
2. Zwar ist die Wahl der Behandlungsmethode grundsätzlich Sache des Arztes. Das bedeutet, dass der Arzt dem Patienten nicht ungefragt erläutern muss, welche Behandlungsmethode in Betracht kommt und was für bzw. gegen die eine oder andere Methode spricht, so lange der Arzt eine Behandlungsmethode wählt, die dem medizinischen Standard - zum Zeitpunkt der Behandlung - entspricht.
3. Wählt der Arzt eine medizinisch indizierte, dem ärztlichen Standard entsprechende Behandlungsmethode, bedarf es der Aufklärung über eine anderweitige, gleichfalls dem ärztlichen Standard entsprechende (alternative) Methode dann nicht, wenn die gewählte Therapiemethode hinsichtlich ihrer Heilungschancen einerseits und den mit der Behandlung für den Patienten verbundenen Belastungen andererseits gegenüber der alternativen Methode gleichwertig oder sogar vorzuziehen ist.
4. Eine Aufklärung (über die Behandlungsalternative) ist nur dann erforderlich, wenn die in Betracht kommenden Methoden unterschiedliche Risiken/Belastungen und Erfolgschancen bieten, insbesondere die Behandlungsalternative risikoärmer ist bei gleich anzusetzendem Erfolg.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 03.06.2009; Aktenzeichen 2 O 1170/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten zu 1. wird das Teil- und Grundurteil des LG Gera vom 3.6.2009 - 2 O 1170/05 -, soweit es die Parteien des Berufungsrechtsstreits betrifft, aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien des Berufungsrechtzugs streiten noch darüber, ob dem Kläger Ansprüche auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und auf Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten zu 1. hinsichtlich zukünftig entstehender materieller und immaterieller Zukunftsschäden zustehen könnten. Nach Auffassung des Klägers sei seine Einwilligung in die am 6.7.2004 im Hause des Beklagten durchgeführte Laminektomie mit anschließender dorsaler Stabilisierung nicht wirksam erteilt worden. Es sei zu Aufklärungsmängeln gekommen. Den geltend gemachten Ansprüchen sei aber auch deswegen stattzugeben, weil es bei Durchführung der Operation zu Behandlungsfehlern gekommen sei.
Hinsichtlich des unstreitigen Tatsachenvortrages, des streitigen Parteivortrages und der in erster Instanz gestellten Anträge wird gem. § 543 Abs. 2 Satz 2 auf den Tatbestand des angefochtenen Teil- und Grundurteils des LG Gera vom 3.6.2009 - 2 O 1170/05, Bezug genommen.
In dem vorbezeichneten Urteil ist das LG Gera zu dem Ergebnis gelangt, zu einem Behandlungsfehler sei es im Hause des Beklagten zu 1. nicht gekommen. Dem Kläger stünden gegen den Beklagten zu 1. Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche dem Grunde nach zu, da der operative Eingriff vom 6.7.2004 nicht durch eine Einwilligung des Klägers gerechtfertigt gewesen sei. Denn über eine vorhandene Behandlungsalternative sei pflichtwidrig nicht aufgeklärt worden. Zu dem geltend gemachten Feststellungsanspruch hat sich das LG nicht geäußert.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte zu 1. Zu einem Aufklärungsfehler sei es nicht gekommen. Wie aus dem Ergänzungsgutachten des Gerichtssachverständigen vom 3.3.2008 hervorgehe, habe es für die Erkrankung des Klägers lediglich zwei denkbare Behandlungsmethoden gegeben, die als gleichwertig und mit gleichem Risiko behaftet seien. Unter diesen Umständen habe keine Verpflichtung bestanden, den Kläger über das Bestehen einer weiteren Behandlungsmethode als der im Hause des Beklagten zu 1. gewählten aufzuklären.
Der Beklagte zu 1. beantragt, das Grund- und Teilurteil des LG Gera vom 3.6.2009 - 2 O 1170/05, aufzuheben, soweit der Beklagte zu 1. und Berufungskläger dem Grunde nach zur Leistung verurteilt wurde und die Klage abzuweisen; die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen;
auf die erhobene Anschlussberufung im Falle einer eigenen Sachentscheidung des Senates, die Klageanträge zu Ziff. 1. und 2., soweit sie gegen den Beklagten zu 1. gerichtet sind, dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären.
Für den Fall, dass der Senat die Berufung für erfolgreich erachte, werde das im Wege der Anschlussberufung das Urteil des LG hilfsweise zur Überprüfung gestellt, da die Klageanträge auch auf Grund einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung dem Grunde nach...