Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur (fehlenden) Notwendigkeit der Aufklärung über Behandlungsalternativen bei lumbaler Spinalkanaleinengung
Leitsatz (amtlich)
1. Kern der Aufklärung eines Patienten ist die Behandlungsaufklärung; d.h. die Erläuterung des Arztes über die Art der konkreten Behandlung (Medikation, Operation). Als Nebenpflicht des Behandlungsvertrages erfordert sie auch die Erläuterung der Tragweite des beabsichtigten Eingriffs (Risikoaufklärung).
2. Zwar ist die Wahl der Behandlungsmethode grundsätzlich Sache des Arztes. Das bedeutet, dass der Arzt dem Patienten nicht ungefragt erläutern muss, welche Behandlungsmethoden in Betracht kommen und was für bzw. gegen die eine oder andere Methode spricht, so lange der Arzt eine Behandlungsmethode wählt, die dem medizinischen Standard - zum Zeitpunkt der Behandlung - entspricht.
3. Wählt der Arzt eine medizinisch indizierte, dem ärztlichen Standard entsprechende Behandlungsmethode, bedarf es der Aufklärung über eine anderweitige, gleichfalls dem ärztlichen Standard entsprechende (alternative) Methode dann nicht, wenn die gewählte Therapiemethode hinsichtlich ihrer Heilungschancen einerseits und den mit der Behandlung für den Patienten verbundenen Belastungen und Risiken andererseits gegenüber der alternativen Methode gleichwertig oder sogar vorzuziehen ist.
4. Eine Aufklärung über Behandlungsalternativen ist nur dann erforderlich, wenn die in Betracht kommenden Methoden unterschiedliche Risiken/Belastungen und Erfolgschancen bieten, insbesondere die Behandlungsalternative risikoärmer ist bei gleich anzusetzendem Erfolg.
5. Im Bereich einer lumbalen Spinalkanaleinengung ist die Laminektomie die Methode der Wahl, weil sie - in diesem Bereich - technisch einfacher und damit geeigneter als die Laminoplastie ist. Über die (deswegen) nur theoretische Behandlungsalternative (der Laminoplastie) muss der Arzt den Patienten daher nicht ungefragt aufklären, weil ein Risisikovergleich beider Methoden keine signifikanten Unterschiede aufweist.
Normenkette
BGB § 280
Verfahrensgang
LG Gera (Entscheidung vom 03.06.2009; Aktenzeichen 2 O 1170/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten (erstinstanzlich Beklagten zu 1) wird das Teil- und Grundurteil des Landgerichts Gera vom 03.06.2009 - 2 O 1170/05 - in Bezug auf die gegen diesen Beklagten dem Grunde nach zugesprochenen Klageanträge zu Ziffer 1) und 2) abgeändert.
Die Klage wird - unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers - insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits - einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde - werden dem Kläger auferlegt; die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde werden niedergeschlagen.
Das Urteil ist - wegen der Kosten - vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Kostenbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Es verbleibt bei der Streitwertfestsetzung (wie im Termin vom 13.04.2010) von 119.819,43 €.
Gründe
Der Kläger nimmt den (im Berufungsrechtszug verbliebenen) Beklagten (erstinstanzlich Beklagter zu 1) wegen unzureichender Aufklärung im Zusammenhang mit der in der Klinik des Beklagten am 06.07.2004 vorgenommenen Wirbelsäulenoperation - Teilhemilaminektomie L 2, Laminektomie von L 3 bis L 5/S 1 mit anschließender posterior lumbaler Interbodyfusion (=PLIF) - und im Wege der Anschlussberufung wegen behaupteter fehlerhafter Behandlung - nicht rechtzeitig erkannter Operationsindikation wegen der Cage-Dislokation L2/3 - auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
Der Kläger litt an einer über die Jahre entwickelten (wohl angeborenen degenerativen) langstreckigen Spinalkanalstenose, darauf beruhender Lumbalischialgien (rechts), Kribbelparästhesien, sowie einer beidseitigen Fußheber- und Großzehenheberparese und einer Fußsenkerparese rechts. Die neurologisch hochgradigen Paresen der unteren Extremität (linksbetont) hatten bereits sein Gangbild extrem verändert (s. Operationsbericht des Beklagten als Anlage K 4, Bl. 32/I d.A.) und die Klinikärzte zu der Maximaloperation mit ausgiebiger Dekompression und anschließender Fusion veranlasst.
Nach einer (ambulanten) Erstvorstellung in der Klinik des Beklagten am 22.06.2004 wurde der Kläger am 05.07.2004 zur Durchführung einer Laminektomie über die Etagen L 2 bis L 5/S 1 verbunden mit einer dorsalen Stabilisierung mit einem Fixateur intern und der Platzierung von Cages über die betreffenden Etagen (sog. PLIF) aufgenommen. Bei dieser Operationsmethode werden die den Spinalkanal einengenden (vergrößerten) Wirbelbögen - von dorsal -vollständig entfernt. Zur Stabilisierung werden in den Zwischenräumen der operierten Wirbelkörper Implantate (Cages) eingebracht, die mit Stäben und Schrauben fixiert werden. Der Kläger wurde am Aufnahmetag (nur) über die vorgesehene Operationsmethode - Art der Behandlu...