David Elischer, Dr. Magdalena Pfeiffer
A. Rechtsgrundlagen und Einführung
Rz. 1
Mit Wirkung zum 1.1.2014 ist in Tschechien nach langjährigen fachlichen und politischen Diskussionen ein neues Zivilgesetzbuch (ZGB) in Kraft getreten, das das mehrfach geänderte sozialistische Recht aus dem Jahr 1964 abgelöst hat. Ziel des Gesetzes war es, alle privatrechtlichen Rechtsverhältnisse in einem Gesetzbuch zu regeln. Das neue Zivilgesetzbuch sollte den geänderten gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen Rechnung tragen und Prinzipien und Standards des Privatrechts in Mitteleuropa entsprechen. Aus diesem Grund ließ sich der tschechische Gesetzgeber vom Recht vieler europäischer Staaten inspirieren, wie etwa Deutschland, Schweiz, Österreich, Italien oder Niederlande. Insbesondere das Erbrecht wurde grundlegend geändert und die Gestaltungsmöglichkeiten des Erblassers wurden erheblich erweitert. Das bisher aus 41 Paragraphen bestehende Erbrecht ist auf über 200 Paragraphen (§§ 1475–1720 ZGB) angewachsen. Viele Fragen, die mit der (Wieder-)Einführung neuer Rechtsinstitute entstehen, sind noch offen und werden von der Praxis und der Rechtsprechung in den kommenden Jahren gelöst werden müssen.
Rz. 2
Zusammen mit dem Zivilgesetzbuch wurde auch das aus dem Jahr 1963 stammende Gesetz über das Internationale Privat- und Prozessrecht (IPPRG) grundlegend überarbeitet und das Gesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) ist wie das Zivilgesetzbuch zum 1.1.2014 in Kraft getreten.
Rz. 3
Parallel hierzu wurden auch zahlreiche andere Rechtsvorschriften geändert, erweitert und angepasst, u.a. die Zivilprozessordnung (ZPO) und die Notariatsordnung. Das Nachlassverfahren ist nicht mehr in der ZPO, sondern in einem neuen, eigenständigen Gesetz über besondere Gerichtsverfahren (BGVG) geregelt.
Rz. 4
Mit dem Inkrafttreten der Erbrechtsverordnung (EuErbVO) am 17.8.2015 wurde die Regelung der Erbschaft mit Auslandsbezug grundlegend geändert. Die Regelung in der EuErbVO findet für Erbsachen mit Erblassern mit dem Todestag 17.8.2015 und später Anwendung; in alten Erbsachen wird vorrangig IPRG bzw. die noch vorhergehende Regelung im IPPRG angewendet. Zur Umsetzung der EuErbVO wurde ein Sondergesetz verabschiedet, das insbesondere die Erteilung des Europäischen Nachlasszeugnisses regelt, und § 73a in das IPRG einfügt, der den Vorrang der EuErbVO klar festlegt.
Rz. 5
Weil im Nachlassverfahren nach tsch. Recht auch das Gesamtgut des Erblassers und überlebenden Ehegatten auseinanderzusetzen ist, sind in Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug auch die europäischen Verordnungen zu berücksichtigen, die die Regeln für die Begründung der internationalen Zuständigkeit, die Regeln für die Bestimmung des anwendbaren Rechts und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über die ehelichen Güterstände (EuGüVO) und die vermögensrechtlichen Wirkungen eingetragener Partner (EuPartVO) vereinheitlichen. Diese Verordnungen finden auch in der Tschechischen Republik ab dem 29.1.2019 Anwendung. Die Regeln zur Bestimmung des anwendbaren Rechts gelten jedoch nur für Ehegatten (oder eingetragene Partner), die am oder nach dem 29.1.2019 eine Ehe geschlossen (oder ihre Partnerschaft eingetragen) oder eine Rechtswahl des auf ihren Güterstand (oder die vermögensrechtlichen Folgen einer eingetragenen Partnerschaft) anzuwendenden Rechts getroffen haben. Zwischen registrierten Partnern entsteht nach tsch. Recht kein Güterstand, jedoch sollte ab dem 1.1.2025 eine Änderung des Zivilgesetzbuchs (und anderer Rechtsvorschriften) in Kraft treten, in deren Folge zwei Personen gleichen Geschlechts eine so genannte Partnerschaft eingehen können, wobei ihr Vermögen nach Abschluss der Partnerschaft zum Bestandteil des gemeinschaftlichen Vermögens der Partner wird (ähnlich wie beim gemeinschaftlichen Vermögen der Ehegatten).
Rz. 6
In den Fällen, in denen das Gericht eine Vereinbarung zur Erbauseinandersetzung zu genehmigen hat, die ein für die minderjährigen Kinder bestellter Verfahrenspfleger im Rahmen des Erbschaftsverfahrens für diese abgeschlossen hat, wird die internationale Zuständigkeit des Gerichts nach den Regeln für die Begründung der internationalen Zuständigkeit in der Brüssel II ter Verordnung begründet (EuGH-Entscheidung C-404/14 vom 6.10.2015).
Rz. 7
In der Tschechischen Republik sind bilaterale Abkommen über Rechtshilfe auch eine relevante Rechtsquelle im Bereich der grenzüberschreitenden Erbfälle. Gemäß Art. 75 EuErbVO haben die für diesen Bereich geltenden Rechtshilfeabkommen, die die Tschechische Republik mit Nicht-EU-Mitgliedstaaten geschlossen hat, Vorrang vor dieser Verordnung. Kollisionsnormen zum Erbrecht und Regeln zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte der Vertragsstaaten in Erbsachen sind in Verträgen enthalten, die mit Vietnam, Ukraine, der ehem. Sowjetunion (findet in Beziehungen zu Weißrussland, Georgien, Kirgisien, Moldawien und Russland Anwendung), Albanien, der Mongolei, dem ehem. Jugoslawien (findet in Beziehungen zu Bosnien...