I. Überblick
Rz. 1
Im Zuge der Neukodifikation des ungarischen Bürgerlichen Gesetzbuches als Gesetz Nr. V aus dem Jahr 2013 über das Bürgerliche Gesetzbuch (Polgári Törvénykönyv, kurz "Ptk.") ist das ungarische Gesellschaftsrecht in das Bürgerliche Gesetzbuch integriert worden. Dies umfasst somit die Regeln für die Gründung, Organisation, Funktion sowie Rechte, Pflichten und Haftung der Gesellschafter, ferner Umwandlung, Fusion und Teilung der folgenden Wirtschaftsgesellschaftsformen, deren Sitz sich auf dem Gebiet Ungarns befindet:
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Personengesellschaften:
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offene Handelsgesellschaft (Közkereseti társaság – Kkt.) |
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Kommanditgesellschaft (Betéti társaság – Bt.). |
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Kapitalgesellschaften:
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Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Korlátolt Felelősségű Társaság – Kft.) |
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Aktiengesellschaft (Részvénytársaság; als geschlossene AG: zRt.; als offene AG: nyRt.). |
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Sonderformen:
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Vereinigung (Egyesülés). |
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Rz. 2
In Deutschland bekannte Sonder- und Mischformen sind entweder nicht zulässig, wie z.B. die KGaA, oder nicht als eigenständige Gesellschaftsform gekennzeichnet, wie z.B. die GmbH & Co. KG. Letztere Gesellschaftsform wird in Ungarn immer als KG (Bt.) bezeichnet.
Rz. 3
Jede Wirtschaftsgesellschaft kann auch als sog. Nonprofit-Gesellschaft organisiert sein, was eine entsprechende Gestaltung der Satzung bedingt; in diesem Fall darf die Gesellschaft ihren Gewinn nicht an die Gesellschafter ausschütten. Für die Zuerkennung eines Gemeinnützigkeitsstatus und der damit einhergehenden Steuervorteile muss die Gesellschaft weitere gesetzliche Voraussetzungen erfüllen.
II. Rechtsquellen
Rz. 4
Gemäß den Angaben des ungarischen Statistischen Amtes gab es zum 31.3.2021 in Ungarn 386.540 GmbHs, was einen Anteil von ca. 75 % an den in Ungarn registergerichtlich eingetragenen Wirtschaftsgesellschaften ausmacht. Die Anzahl der GmbHs ist ab dem Jahr 2015 bis Ende des Jahres 2018 kontinuierlich gesunken; nach einer Stagnationsphase ist seit Anfang des Jahres 2021 eine Steigerung festzustellen.
Rz. 5
Außer den materiellrechtlichen Vorschriften des Ptk. ist für die registergerichtliche Eintragung der Wirtschaftsgesellschaften das Gesetz Nr. 2006/V "Über die Firmenpublizität, das Handelsregisterverfahren und das freiwillige Liquidationsverfahren“ (kurz "Ctv.") maßgebend. Dieses Gesetz beinhaltet mitsamt seinen Ausführungsregelungen sämtliche Vorschriften im Zusammenhang mit der registergerichtlichen Eintragung, Änderung und Löschung der Wirtschaftsgesellschaften im Handelsregister und der Durchführung der gesetzlichen Aufsichtspflicht des Registergerichts über die Wirtschaftsgesellschaften zur Wahrung der Verkehrssicherheit und des Gläubigerschutzes. Ferner ist in diesem Gesetz das Verfahren zur freiwilligen Liquidation einer Wirtschaftsgesellschaft geregelt, d.h. einer geordneten Abwicklung einer nicht zahlungsunfähigen Gesellschaft."
Rz. 6
Eine der bedeutenden Änderungen im ungarischen Gesellschaftsrecht durch das Inkrafttreten des neuen BGB (auf Ungarisch: Polgári Törvénykönyv, kurz "Ptk.") ist die Stärkung des Dispositivitätsgrundsatzes. Im Gegensatz zu den Regelungen des bis zum 14.3.2014 geltenden Gesetzes über die Wirtschaftsgesellschaften (kurz "Gt."), das nur im eng begrenzten Rahmen Abweichungen durch die Parteien erlaubte, enthält das Ptk. in § 3:3 Abs. 2 die Grundregel, dass die Gesellschafter bei der Regelung ihres Verhältnisses untereinander und zur Wirtschaftsgesellschaft sowie der Organisation und des Betriebs der Wirtschaftsgesellschaft in der Satzung von den Bestimmungen des Ptk. abweichen dürfen. Dies gilt nur dann nicht, wenn das Gesetz die Abweichung ausdrücklich verbietet oder falls die Abweichung die Rechte der Gläubiger oder der Arbeitnehmer der Wirtschaftsgesellschaft oder die Rechte der Minderheitsgesellschafter offensichtlich verletzt oder die Durchsetzung einer Aufsicht über die gesetzliche Tätigkeit der Wirtschaftsgesellschaft behindert. Die Regelungen des Ctv. sind demgegenüber zwingend, was bedeutet, dass keine Abweichung von diesen Verfahrensregelungen zulässig ist, es sei denn, das Ctv. lässt eine Abweichung, d.h. eine freie zivilrechtliche Vereinbarung, ausdrücklich zu.
Rz. 7
Das neu kodifizierte ungarische Bürgerliche Gesetzbuch steht am Ende eines Prozesses, bei dem von aufeinanderfolgenden Regierungen verschiedener Lager Entwürfe erstellt und wieder verworfen wurden. Zuvor war das Gesellschaftsrecht im Gt. geregelt, welches zuerst im Jahre 1988 als Gesetz 1988/VI erlassen wurde, wobei es sich um die erste Kodifizierung der Regelungen für die Wirtschaftsgesellschaften in Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg handelte; in der Folgezeit wurde es mehrfach grundlegend modifiziert bzw. neu kodifiziert, Letzteres im Jahre 2006. Mit der Einbeziehung des Gesellschaftsrechts in das neue ungarische Bürgerliche Gesetzbuch bezweckte der ungarische Gesetzgeber in erster Linie die Steigerung der "zivilrechtlichen Autonomie" der Gesellschaften, die "Verringerung ihrer administrativen Belastungen" und eine engere "Verflechtung zwischen dem Zivilvertra...